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Unter Geiern


Zeit für die Frage, worauf ich mich da eigentlich eingelassen habe, bleibt nicht. Jetzt gibt es nur noch eins: Knie durchdrücken, die Füße möglichst trittfest auf den Kies aufsetzen und ein letztes Mal tief durchatmen. Den rechten Arm ausstrecken und ...  

Unter Geiern

Zeit für die Frage, worauf ich mich da eigentlich eingelassen habe, bleibt nicht. Jetzt gibt es nur noch eins: Knie durchdrücken, die Füße möglichst trittfest auf den Kies aufsetzen und ein letztes Mal tief durchatmen. Den rechten Arm ausstrecken und sich dann auf das gefasst machen, was auf mich zukommt. Denn schon hat sich Alaska, ein Weißkopfseeadler mit einer beeindruckenden Flügelspannweite von immerhin fast 2,50 Metern am anderen Ende der Flugbahn von der Faust gelöst und fliegt mit kräftigen Flügelschlägen auf mich zu. Und dann landet er punktgenau auf meiner Hand und pickt genüsslich an dem Leckerbissen in meiner lederhandschuhbewerten Faust.

„Schaut Euch mal das Mädel an“, schallt es über den Platz, „das ist ein echtes Naturtalent!“ Ich strahle, nicht nur wegen dem „Mädel“ und dem „Naturtalent“, sondern vor allem darüber, dass der König der Lüfte in seiner ganzen majestätischen Größe und Pracht so ganz selbstverständlich bei mir niedergelassen hat.

Wiedersehen mit Medusa

Dabei ist dies nicht unser erster Besuch in der Falknerei von Pierre Schmidt. Kennengelernt haben wir ihn schon vor einiger Zeit anlässlich eines Ortstermins rund um die neue Wassererlebniswelt an der Gymnicher Mühle und Schmidt, der hier seit 2007 mit seinen Greifvögeln sein Zuhause gefunden hat, hatte uns schon damals eingeladen, ihn und seine Greifvögel zu besuchen. Als wir kommen, dreht gerade Medusa, ein Wüstenbussard, seine Kreise über der Flugbahn. Anders als bei vielen Säugetierarten gibt es nämlich keine weiblichen Namensformen lernen wir und auch, dass Wüstenbussarde anders als die meisten Greifvögel nicht allein, sondern im Verbund jagen. Aber dann ist auch schon Schluss mit aller Theorie. „Willst Du sie mal halten?“ fragt er, gibt kurz ein paar Anweisungen wie wir uns aufzustellen haben, reicht noch schnell einen Falknerhandschuh und einen Leckerbissen und ehe ich mich versehe, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen echten Greifvogel auf der Hand und mir bleibt nichts als atemlose Faszination. Bisher dachte ich ja immer Greifvögel hätten einen stechenden Blick, aber Medusa belehrt mich eines Besseren. Ihre Augen sind rund und schwarz und glänzend und erinnern an einen Edelstein, aber stechend sind sie nicht.

Und nun sehen wir sie wieder. Auch diesmal ist sie gnädig gestimmt, nimmt anstandslos auf unserem ausgestreckten Arm Platz, und verspeist genüsslich ihre Atzung. „Greifvögel kann man nur über Belohnung erziehen“, erklärt uns der Falkner, der seine Ausbildung quer durch ganz Europa sozusagen perfektioniert hat. „Anders als bei vielen anderen Haustieren ist es völlig sinnlos einen Greif auszuschimpfen oder gar bestrafen zu wollen. Macht er es so wie er soll, gibt es eine Belohnung, wenn nicht, dann nicht.“

Der Blick in die Lüfte statt in die Glotze

Seine Kindheit im Westerwald war, wie bei so vielen Kindern der 60er Jahre nicht gerade von Überfluss und Langeweile geprägt, die Generation Frühstücksfernsehen war schlicht noch nicht geboren. Dafür jedoch gab es jede Menge Möglichkeiten sich außerhalb der vier Wände in der Natur zu bewegen. „Meine Mutter hat uns, wie das so üblich war, zum Spielen einfach rausgeschickt“, erinnert er sich, „sie meinte immer, dass uns eigentlich jeder Baum und jedes Tier sozusagen gehören könnte, wenn wir es uns über Kennenlernen und Achtsamkeit aneignen. Irgendwann habe ich dann am Himmel einen Bussard gesehen. Das war einfach toll und ich wusste: Irgendwann im Leben willst Du mit diesen Tieren leben und arbeiten.“ Und wie es manchmal eben so geht, wenn einen etwas wirklich packt, dann ist einem kein Weg zu lang und keine Mühe zu groß, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Also nutzte der gelernte Groß- und Einzelhandelskaufmann jede freie Minute, um nicht nur seinen Falknerschein zu machen, sondern sich in den verschiedenen Falknereien quer durch Europa weiterzubilden. „So besehen“, lacht er, „habe ich nicht einen Falknerschein, sondern etliche.“

Flugstunde für Arthos

Noch während wir uns unterhalten wird es Zeit, dass Arthos, der Gerfalke, zu seinem Recht und seiner Flugstunde kommt. „Gerfalken sind in der Regel selten in Deutschland anzutreffen“, erklärt man uns, denn seine eigentliche Heimat liegt in der Arktis und Subarktis. Anders als Alaska und Medusa, die folgsam von Hand zu Hand flogen, trainiert Arthos mit dem Federspiel, einer aus Leder und Federn gebastelten Beuteattrappe, die von Pierre Schmidt mittels einer Leine durch die Luft geschwungen wird. Mit rasender Geschwindigkeit stürzt sich der Vogel auf seine vornehmliche Beute, dreht ab, schraubt sich hoch in Luft um sich im nächsten Moment wieder in die Tiefe zu stürzen. Auch wenn wir an diesem Schauspiel eigentlich unbeteiligt sind, halten wir vor Spannung die Luft an, so viel fliegerische Kunst will einfach bewundert werden. Und man merkt Mann und Vogel an: Sie sind nicht nur ein Team, das gemeinsam jagt, sie haben auch mächtig Spaß.

Pitstop im Schulungsraum

Auch wenn einem bei so viel fliegerischer Kunst schon warm ums Herz wird, werden die Füße auf Dauer doch kalt, immerhin ist ja noch Februar. Also wechseln wir zwischendurch den Standort und lassen uns den ganzen Stolz der Falknerei, den neuen Schulungs- und Seminarraum zeigen, wo wir uns bei einem Kaffee am gemütlich knisternden Ofen aufwärmen. Bei unserem ersten Besuch im Dezember noch sozusagen im Rohzustand, hat er sich mittlerweile mächtig mit Sofas und Sesseln, Büchern und allerlei Falknerzubehör herausgemausert. Stolz präsentiert uns Schmidt eine indianische Federhaube, schlüpft in die Rolle des Indianerhäuptlings und lässt mit seinen Erzählungen Bilder von den Weiten der amerikanischen Steppe vor unserem geistigen Auge erstehen. Kein Wunder, dass auch Kinder, ganz gleich ob zum Kindergeburtstag oder im Rahmen eines Kindergarten- oder Schulausfluges wie gebannt lauschen.

Dann aber drängt es uns mit Macht wieder nach draußen. Immerhin haben wir noch längst nicht alle Vögel gesehen und kennengelernt.

Gunkel der Verschmuste

Auf dem Weg nach draußen berichte ich von meiner Vorliebe für Uhus und Eulen. „Magst Du mal einen halten?“ fragt Schmidt mich und schon bittet er eine seiner ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen doch einmal Gunkel, den sibirischen Uhu zu holen. Während wir auf ihn warten, lassen wir uns ein wenig mehr über ihn und seine Art erzählen, denn hier geht es ja nicht nur um Show, sondern auch darum mehr über Greife, ihre Eigenarten und ihren Lebensraum zu erfahren. „Mit einer Größe zwischen 68 und 75 cm ist der Sibirische Uhu die weltweit größte Eulenart. Wie bei den meisten Greifvögeln sind die Weibchen in der Regel etwas größer und schwerer als die Männchen. Ein ausgewachsener Uhu kann so zwischen 2.500 bis 3.000 Gramm auf die Waage bringen.“ Wie viel er tatsächlich wiegt, müssen der Falkner und seine Helfer jeden Tag auf’s Neue überprüfen. Das Wiegen vor und nach dem Essen, falknerisch ausgedrückt der „Atzung“ gehört hier zur täglichen Routine.

Und schon ist er da und springt bereitwillig auf meine lederbewehrte Faust, denn einen Greifvogel, ganz gleich ob zarte Schleiereule oder majestätischer Adler ohne Handschuhe halten zu wollen, dürfte wohl nur dem einfallen, dem verbleibende Anzahl seiner Finger nicht ganz so wichtig ist. Da sitzt er nun also und schaut mich aus seinen großen runden tieforangen Augen interessiert an. Dass wir ihn, der eigentlich zu den nachtaktiven Jägern gehört, in seinem Schlaf gestört haben, stört ihn anscheinend nicht weiter. Im Gegenteil, als er von Pierre Schmidt „angeschuht“ wird, gibt er bereitwillig Antwort, um sich dann sogar noch ein wenig enger an mich anzuschmiegen. Schon bin ich versucht mit der freien Hand sein seidigglänzendes Federkleid zu streicheln, aber nein, anfassen und streicheln sind leider verboten, da der Schweißfilm auf unseren Händen die natürliche Fettschicht seiner Federn angreifen würde.

Schützen durch Wissen

Natürlich ist ein Besuch in einer Falknerei ein Event mit besonderem Erlebnischarakter, aber Schmidt will mehr. „Greifvögel sind nach wie vor stark bedroht“, sagt er. „Da sind zum einen die immer kleiner werdenden Lebensräume, der Rückgang von Beutetieren. Aber dann natürlich auch Gefahren durch Vergiftungen oder Verletzungen.“ Hier hakt er ein und versucht nicht nur Verständnis für die Jäger der Lüfte zu wecken, sondern auch Tipps im Umgang mit einem verletzten Vogel zu geben. „Der Vogel“, erklärt er uns, „kann nicht ahnen, dass Sie es am Ende gut mit ihm meinen. Damit Sie sich nicht selbst gefährden, muss man eben einiges beachten.“ Doch bevor er uns das weiter erklären kann, klingelt sein Mobiltelefon. Die Assistentin einer Tierärztin, bei der ein verletzter Falke abgeben wurde, will wissen, wie man verfahren soll. „Haben Sie das Tier denn schon untersucht?“ will er wissen. „Nein, woher denn“, lautet die Antwort, „da sei doch die Kostenübernahme völlig ungeklärt.“ Am Ende zuckt er die Achseln: „Das erleben wir hier immer wieder“, meint er, „am Ende läuft es wohl wieder darauf raus, dass wir den Vogel gesund pflegen werden.“

Falknerei Pierre Schmidt, Gymnicher Mühle 1, 50374 Erftstadt-Gymnich
Öffnungszeiten und Eintrittspreise sowie alles Wissenswerte über die Falknerei
erfahren Sie unter www. falknerei-schloss-gymnich.de

Ein „Hobby“ ist es nicht

Auch wenn uns Schmidts gefiederte Gefährten noch so fasziniert haben: Greifvögel sind keine Haustiere für „Jedermann“. Das liegt zum einen daran, dass die ihre Haltung aus gutem Grund mit hohen Auflagen verbunden ist. Aber wie meistens im Leben ist das eigentlich nur die halbe Wahrheit. Ganz gleich, ob wir Fische, Reptilien, Vögel oder (ganz gewöhnliche) Hunde oder Katzen halten. Jedes Lebewesen verpflichtet uns achtsam mit ihm umzugehen, kostet Zeit, Mühe und Geld. Nur anders als die meistens anderen Haustiere, die man im Urlaubs- oder Zweifelsfall auch mal dem Nachbarn oder der Tierpension anvertrauen kann, funktioniert das bei im Prinzip wilden Vögeln eben nicht.

Aber wer mag, der kann ja mal bei in der Falknerei an der Gymnicher Mühle vorbeischauen und ja, vielleicht Sie ja auch genau wie wir Feuer und wenn Ihnen eine Flugschau nicht reicht, können Sie nach Absprache ja auch noch ein Falknerseminar buchen.

Und oh ja, einen Geier gibt es auch, auch wenn wir ihn in unserem Bericht (leider) nicht erwähnt haben.

 

Fotos: DWW



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