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Von Bären und Wölfen


Durch Zufall lernen wir bei einem Unternehmertreff Annika Lürßen kennen. Als die Reihe an ihr ist, stellt sie sich als Bären-Expertin vor. Wir lauschen erstaunt, denn wir haben keine klare Vorstellung davon, was man als Bären-Expertin so tut.  

Von Bären und Wölfen

Durch Zufall lernen wir bei einem Unternehmertreff Annika Lürßen kennen. Wer schon einmal an so einer Veranstaltung teilgenommen hat, weiß wie sie ablaufen. Nach einer kurzen Präsentation des jeweiligen Netzwerks hat jeder Teilnehmer die Gelegenheit sich mit einigen Worten vorstellen. Als die Reihe an ihr ist, stellt sie sich als Bären-Expertin vor. Wir lauschen erstaunt, denn weder haben wir auch nur annähernd eine klare Vorstellung davon, was man als Bären-Expertin so tut, noch sieht sie so hühnenhaft aus, dass bei ihr den Umgang mit den nicht gerade leichtgewichtigen Sohlengängern zugetraut hätten.

Kurz und gut: Unsere Neugier ist geweckt und wir bitten sie um ein Interview, immerhin trifft man nicht jeden Tag Menschen, die einen so ausgefallenen Beruf ausüben. Da es hier in unmittelbarer Umgebung nun mal keine Bären gibt, treffen wir uns kurzerhand – wenn auch etwas unromantisch – in einem Café und nutzen die Gelegenheit, sie mit unseren Fragen zu löchern.

Wer die Wahl hat …

„Nun ja“, erzählt sie, „nach dem Abitur hatte ich die Qual der Wahl. Entweder ein Psychologie-Studium oder doch Biologie. Und weil ich schon von Kindheit an am liebsten „draußen“ war, habe ich mich dann für Biologie entschieden, wobei“, sie hält kurz inne, „meine Erwartungen zunächst mächtig enttäuscht wurden, denn über die Natur als solches, die Bestimmung von Pflanzen und Tieren, lernt man im Grundstudium eigentlich fast nichts. Hier geht es eher um Systematiken und Grundlagen der Chemie, Physik und Mathematik.“

Nachdem sie ihr Grundstudium an der Uni Braunschweig absolviert hatte, wechselte sie nach Würzburg, wo sie sich zunächst auf Tropenbiologie spezialisieren wollte. „Das wäre sicher auch spannend gewesen“, erzählt sie und lächelt, „aber am Ende ist es an den Finanzen gescheitert. Ich mit meinen drei Studentenjobs, um mein Studium zu finanzieren, hätte bei den teuren Exkursionen auf Dauer wohl kaum mithalten können und so habe ich zum Fachbereich Verhaltensbiologie gewechselt.“

Darf’s ein bisschen mehr Fell sein?

Würzburg, so erzählt sie uns weiter, habe einen Forschungsschwerpunkt im Bereich der Insekten, genau genommen bei Bienen und Ameisen, „aber“, so fährt Lürßen fort, „mir wurde schon bald klar, dass ich lieber über, für und mit Tieren arbeiten wollte, die etwas mehr Fell haben.“ Also bewarb sie sich nach Studienende bei verschiedenen Zoos in Deutschland, um hier ihre Diplomarbeit zu schreiben. „Köln hat mich dann auch angenommen“, erinnert sie sich. „Ich wollte zur Optimierung der Gehegehaltung forschen und da empfahl man mir den Bärenwald Müritz in Mecklenburg-Vorpommern.“

Also verbrachte sie die nächsten sieben Monate unter Bären und Wölfen, packte tatkräftig mit an, schrieb ihre Diplomarbeit und erfuhr jede Menge über den Umgang mit den teils stark traumatisierten Raubtieren, denn immerhin stammen sie nicht aus der „freien Wildbahn“, sondern aus privaten Händen, wo sie oft unvorstellbares Leid, niemals aber einen ganz normalen und artgerechten Umgang erfahren haben.

Ein hartes Stück Arbeit

Nun ist die „Szene“ der Bärenhüter relativ überschaubar, immerhin haben wir es ja im Verlauf der letzten paar hundert Jahre geschafft, sie in Mitteleuropa nahezu auszurotten, trotzdem war es aber dann doch Annika Lürßen, die im Anschluss an ihre Diplomarbeit mit der Planung und Realisierung des „Alternativen Bärenparks Worbis“ im Schwarzwald beauftragt wurde. „Die größte Arbeit“, so erinnert sie sich, „war zunächst nicht die Planung, sondern die Überzeugungsarbeit, die wir bei der „Zivilbevölkerung“ leisten mussten.“ Im Prinzip, so die landläufige Meinung, hätte man ja nichts gegen Bären, aber eben nicht vor der eigenen Haustür, wo sie nicht Mülltonnen plündern, sondern auch Schafe und Ziegen, wenn nicht gar noch größeres Nutzvieh reißen würden. Also hieß es informieren und aufklären, Ängste nehmen und am Ende sogar Begeisterung wecken. „Die finanziellen Mittel, die uns zur Einrichtung zur Verfügung standen“, erzählt sie, „waren ziemlich begrenzt und ohne die Hilfe meiner Ü-70-Gang“, wie sie ihre Ehrenamtlichen Helfer liebevoll nennt, „hätten wir das Projekt kaum so erfolgreich realisieren können.“ Rund 1,5 Millionen Euro schätzt sie sind durch die helfenden Hände erarbeitet worden. „Gestartet haben wir dann mit genau einer einzigen Bärin, dafür aber mit einer ziemlich berühmten, nämlich mit Jurka, der Mutter von Bruno.“

Wer von Ihnen sich nicht mehr so genau erinnert: Bruno war der unglückselige Bär, der weiland von Italien über Österreich nach Deutschland wanderte und hier in Bayern sein trauriges Ende fand, nämlich kurzerhand erschossen wurde.

Und wo kommen die Wölfe ins Spiel?

Wir erinnern uns an diverse Tierfabeln. Ungetrübt, so will es uns scheinen, ist das Verhältnis von Bär und Wolf nun ja nicht gerade, warum also nun die beiden Arten in einem Park? „Nun“, erklärt uns die Bärenexpertin, „auch wenn sich Bären überwiegend, also zu rund 80% vegetarisch ernähren, stehen sie trotzdem in unmittelbarer Nahrungsmittelkonkurrenz zu den Wölfen. Und denen wiederum gelingt dann, wenn es ums Fressen geht, auch stark traumatisierte Bären aus ihrer Isolation zu reißen.“ Wir zögern einen Moment und überlegen, ob wir es wirklich so genau wissen wollen, aber dann siegt doch unser journalistischer Ehrgeiz und wir fragen, was wir uns denn eigentlich unter einem traumatisierten Bären vorstellen sollen. „Nun“, sie hält inne und schüttelt, ein wenig traurig und ein wenig wütend, den Kopf. „Sie müssen sich vorstellen, dass alle Tiere, die in die Parks kommen, fast ihr ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht haben, einige von ihnen als Zirkusattraktion, als Tanzbären oder als Restaurant- oder Tankstellenbären.“ Wir unterbrechen sie: „Restaurant- und Tankstellenbären?“ „Ja, in vielen Ländern Osteuropas werden Bären an Restaurants und Tankstellen in winzigen Verschlägen gehalten, um Kundschaft anzulocken. Das ist so wie in Amerika die Leuchtreklame am Diner. In der freien Natur hätten diese Tiere überhaupt keine Überlebenschance und selbst in geschützten Gebieten wie einem Bärenpark gehen sie immer wieder die Grenzen ihres alten Gefängnisses ab, so als wären sie immer noch hinter Gittern.“ „Und die Wölfe?“ kommen wir auf unsere ursprüngliche Frage zurück. „Oh“, sie lacht, „das ist wirklich spannend. Im Schwarzwald hatten wir öfter das Glück ein überfahrenes Stück Wild, ein Reh oder so als Spende für die Tiere zu bekommen. Wenn wir das dann ins Gehege gebracht haben, kamen natürlich auch gleich die Wölfe, um sich ihren Anteil zu sichern. Und bei ihrem Anblick wird dann der ein und andere Bär doch „wach“ und schafft es, seine selbstgezogenen Grenzen doch zu überschreiten, um sich die Beute nicht streitig machen zu lassen.“

Mit Ruhe und Respekt

Mittlerweile hat Lürßen Projekte in vielen Teilen gerade Osteuropas geleitet, was irgendwo logisch ist, denn dort hat es zweifelsohne doch mehr Bären als im westlichen Teil des Kontinents. Aber nicht nur hinsichtlich der Bärenpopulation sind die Unterschiede zwischen Ost und West gewaltig und wir fragen sie, wie die Menschen dort reagieren, wenn um Bären ein „Riesenzirkus“ veranstaltet wird, während gleichzeitig Kinder auf der Straße – von nichts als der Hand in den Mund – leben müssen. „Natürlich ist das nicht einfach“, räumt sie ein. „Aber im Prinzip ist es doch fast wie bei meinem Schwarzwald-Projekt. Man kann nicht einfach irgendwo hinkommen und sagen: So, jetzt bauen wir eine Schutzgebiet für Bären und zeigen Euch mal, wie man mit ihnen umzugehen hat. Es geht darum, behutsam Alternativen aufzuzeigen. Ein Bärenpark schafft zunächst Arbeitsplätze. Und dann, mit ein bisschen Glück, kommt auch etwas Tourismus in die Region und sorgt für ein kleines bisschen Aufschwung.“ Sie überlegt eine Weile bevor sie fortfährt: „Ich glaube, in beiden Fällen geht es darum Alternativen anzubieten, wobei man natürlich Menschen nicht so ohne weiteres mit Bären vergleichen kann oder umgekehrt. Aber stellen Sie folgendes vor: Die Bären, die wir in die Parks übersiedeln, kennen so gut wie keine natürlichen Verhaltensweisen. Sie haben nie gelernt selber nach Nahrung zu suchen, eine Höhle zu bauen oder Winterschlaf zu halten. Deshalb müssen sie einerseits in den Parks gezielt gefüttert werden, aber gleichzeitig verstecken wir Teile des Futters, um sie zur Nahrungssuche zu animieren. Und wir schaffen Möglichkeiten, dass sie sich Höhlen bauen können. Es geht darum Angebote zu machen und sie behutsam an neue Verhaltensweisen heranzuführen. Und mit Menschen ist es wohl ähnlich. Der erhobene Zeigefinger bringt meiner Meinung nach nichts. Aber nach und nach sehen wir, dass unsere Bemühungen erfolgreich sind. Viele Länder – gerade auch in Osteuropa - haben die private Haltung von Wildtieren mittlerweile gesetzlich verboten.“

Mit Teddys hat das nichts zu tun

Da wir uns ja nun wie gesagt weitab von allen Bären (außer denen aus Weingummi im nahegelegenen Supermarkt) befinden, hat sie uns als kleinen Trost und Vorstellungshilfe ein paar Fotos von sich und ihrer Arbeit in den Bärenparks mitgebracht. „Aber so richtig nahe kommen Sie den Tieren aber auch nicht, oder?“ fragen wir bei der Betrachtung der Bilder, denn tatsächlich: Auf allen ist ein stabiler Zaun zwischen ihr und den Bären. „Auf keinen Fall“, erklärt sie uns, „zum einen reden wir hier nicht nur von Wild-, sondern eben auch von Raubtieren. Natürlich üben wir bestimmte Verhaltensweisen mit den Tieren. So werden sie immer wieder bei ihrem Namen gerufen, um sie im Falle eines Falles von etwas weglocken zu können und im Laufe der Zeit entsteht dann auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Tier und Pfleger, aber in letzter Konsequenz muss man sich dennoch immer vor Augen halten, dass Bären, auch wenn sie in gewisser Hinsicht wie zu groß geratene Kuscheltiere wirken mögen, ziemlich gefährliche Raubtiere sind, vor allem, wenn sie aus welchen Gründen auch immer in Wut geraten.“

Und noch etwas ist ihr wichtig: „Sehen Sie, in den Parks leben wie gesagt ausschließlich Tiere, die zuvor von Menschen auf das unwürdigste behandelt wurden. Sie sind oft nicht nur traumatisiert, sondern zum großen Teil auch schwer krank, erblindet, leiden unter Zahnfäule und haben diverse andere Verletzungen davon getragen. Am Ende geht es also nicht nur darum, ihnen ein möglichst angenehmes Restleben zu ermöglichen, es geht auch darum, ihnen ein Stück Würde zurückzugeben, sie wieder als zu betrachten, was sie sind.“

Für die Fotos danken wir Annika Lürßen und der Stiftung Bären sowie Kurt Bouda, der das tolle Bild von den Wölfen bei Pixelio eingestellt hat.

 



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