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Die Grenzgänger


Sie wohnen in Holland und arbeiten im Rheinland. Dafür fahren die beiden Holländer, Harrie Musz und Gert-Jan Niessen jeden Tag rund 150 Kilometer. Wir haben uns mit Ihnen unterhalten, was sie daran reizt in Deutschland zu arbeiten und wo die Unterschiede  

Die Grenzgänger

Sie wohnen in Holland und arbeiten im Rheinland. Dafür fahren die beiden Holländer, Harrie Musz und Gert-Jan Niessen jeden Tag rund 150 Kilometer. Wir haben uns mit Ihnen unterhalten, was sie daran reizt in Deutschland zu arbeiten und wo die Unterschiede zwischen den Deutschen und den Holländern liegen.

Für Harrie Musz war schon seit Jugendtagen klar, dass er den Beruf des Physiotherapeuten ergreifen wollte. „Sehen Sie“, erzählt er, „meine Großmutter war nach einem Sturz von der Treppe querschnittsgelähmt. Wenn dann der Therapeut ins Haus kam, um mit ihr zu arbeiten, merkte ich, dass es ihr nach einer Anwendung immer erheblich besser ging. Für mich war dann einfach klar, dass ich etwas machen wollte, womit ich Menschen helfen kann, dass sie sich einfach besser und gesünder fühlen.“

Schlechte Karten in Holland

Doch die Zeichen, seinen Berufswunsch in Holland verwirklichen zu können, standen am Ende seiner Ausbildung nicht gut, hatten doch Reformen des holländischen Gesundheitssystems zu einer Budgetierung der Behandlungen und somit zu einem Einbruch der vorhandenen Arbeitsplätze geführt. „Schon einen Teil meiner Praktika habe ich in Deutschland absolviert und dann im Anschluss an die Ausbildung auch gleich meine erste Stelle in der Nähe von Krefeld angetreten“, erinnert er sich. Ähnlich erging es auch seinem damaligen Studienkollegen und jetzigem Partner, Gert-Jan Niessen. Da auch er in den Niederlanden keine Anstellung fand, führte ihn sein beruflicher Werdegang zunächst nach Mönchengladbach.

1997 eröffneten die beiden zunächst gemeinsam eine Praxis für Physiotherapie in Rommerskirchen. „Ich wollte den Weg in die Selbstständigkeit wagen“, erzählt Musz „und da für mich klar war, dass ich weiterhin in Deutschland arbeiten wollte, habe ich mir eine Karte von Nordrhein-Westfalen besorgt und geschaut, wo Bedarf bestehen könnte. Rommerskirchen war für uns zunächst ein idealer Standort; es gab dort noch keine Therapieeinrichtung und der Einzugsbereich reicht ja bis nach Bergheim und Pulheim.“ Als der Zulauf aus Pulheim immer größer wurde, eröffneten die beiden Geschäftspartner 2009 eine weitere Niederlassung in Pulheim-Stommeln. „Für viele Patienten aus Pulheim ist es einfach günstiger, weil sie sich einen Teil des Weges sparen können“, erklärt Gert-Jan Niessen, „und da wir hier ausschließlich privat finanzierte Therapien anbieten, haben wir in der Art und Weise der Anwendung auch mehr Gestaltungsspielraum und können anders auf die Patienten und ihre Bedürfnisse eingehen.“

Der ganzheitliche Ansatz

Niessen selber ist nicht nur als Physiotherapeut, sondern auch als Osteopath tätig. „Während wir in der Physiotherapie gezielt Beschwerden des Bewegungsapparates behandeln, betrachtet man in der Osteopathie den Menschen ganzheitlich, es werden also auch die Wechselwirkungen zwischen Gelenken, Nerven und Organen betrachtet. – Aber“, er lächelt, „das ist natürlich nur eine sehr verkürzte Erklärung.“ Mittlerweile öffnen sich jedoch auch einige Krankenkassen diesem ganzheitlichen Gesundheitsansatz und übernehmen, wenn auch manchmal nur zu Teilen, die Therapiekosten.

Der Wunsch, die Dinge in ihrer Gesamtheit zu verstehen, brachte ihm letztendlich auch ein neues Hobby ein. „Ich hatte immer wieder Patienten, die über bestimmte Schmerzen klagten und meinten, dass diese vom Golfspielen herrühren könnten. Damals war ich noch der Meinung, dass Golf ein ziemlich unaufregender Sport sei, wo man nicht sehr viel mehr tut als gemütlich spazierengehen. Aber dann wollte ich der Sache auf den Grund gehen und habe selber einen Golfkurs belegt und bin mittlerweile begeistert bei der Sache. Wenn jetzt Patienten zu mir kommen, verstehe ich nicht nur viel besser, warum es schmerzt, sondern kann mit ihnen auch ihre Körper- und Schwunghaltung üben, damit es zukünftig nicht mehr zu Fehlbewegungen kommt. Aber“, er winkt ab, „Golflehrer bin ich deswegen aber noch lange nicht.“

Nachbarn und doch anders

Wie es denn sei, wollen wir von den beiden wissen, ob sich deutsche Patienten denn anders verhielten als ihre Leidensgenossen in Holland. „Ja, auf alle Fälle“, bestätigen die beiden und erzählen, dass Holländer weitaus weniger zum Arzt gingen. „Das mag aber“, so vermuten sie, „auch etwas mit der calvinistischen Grundeinstellung der Holländer zu tun haben.“ Fleiß, das Streben nach wirtschaftlichem Erfolg und Sparsamkeit sind Grundpfeiler dieser Einstellung. Generell werden in Holland auch weniger Untersuchungen durchgeführt. „Ob das besser ist als in Deutschland, das sei dahingestellt, aber die Holländer sind zufrieden damit.“

Und sie fahren fort: „Ein anderes Bespiel ist das Mittagessen in der Schule. Fast alle Länder in Europa bieten den Schülern in der Ganztagsschule ein warmes Mittagessen an, nur bei uns in Holland nicht. Wir kämen gar nicht auf die Idee. Unsere Kinder bekommen ein Brot mit in die Schule und gegessen wird erst abends gemeinsam zu Hause.“ Wobei auch in Holland die Kulturunterschiede zwischen dem überwiegend katholischen Süden, der Provinz Limburg, und dem protestantischen Norden spürbar sind. „Als Kind“, erzählt Harrie Musz, war ich einmal mit meinen Eltern zu Gast im Norden Hollands. Nachmittags bekam jeder eine Tasse Kaffee und dazu genau einen Keks. Dann wurde die Keksdose verschlossen und weggeräumt. Das kannte ich von zu Hause nicht, dass Essen genau zugeteilt wird.“

Wobei wir schon beim nächsten Thema sind. Deutsche Frauen, darin sind sich die beiden einig, kochen in der Regel besser als Holländerinnen. „Und gebacken wird in Deutschland“, schwärmt Niessen, „das gibt es bei uns fast nicht. Kuchen und Plätzchen werden eigentlich immer nur beim Bäcker gekauft.“  Und noch etwas gefällt den beiden „Grenzgängern“ an den Deutschen: Ihr Hang zu Ordnung und Pünktlichkeit. „Holländer sind in der Regel viel lockerer als Deutsche“, erzählen sie, „man duzt sich viel schneller und nimmt das Einhalten von Regeln auch nicht immer so genau. Da wird auch schon mal im Garten ein Feuerchen gemacht, auch wenn es nicht erlaubt ist. Das ist manchmal recht störend. Die Deutschen sind da etwas anders, sie sind zum Beispiel auch viel pünktlicher, was für unsere Praxisorganisation natürlich ein großes Plus ist.“

Autofahren bildet

Dennoch wollten die beiden nie ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegen. „Die rund 75 Kilometer pro Fahrt sind nicht wirklich viel“, meint Niessen, „über die Autobahn Richtung Aachen ist der Weg meistens in einer knappen Stunde zu schaffen. Am Ende würde ein Umzug nach Deutschland für unsere Familien einen zu großen Aufwand bedeuten.“ Und Harrie Musz stimmt ihm zu: „Außerdem lassen sich die Fahrten ja sinnvoll nutzen. Man kann Musik hören oder Nachrichten, dann bin ich immer auf dem Laufenden, was in beiden Ländern aktuell passiert, aber ich habe die Fahren auch schon damit verbracht einen italienisch Kurs zu machen oder Fachvorträge aus der Weiterbildung zu hören.“ So wie es ist, ist es für uns eigentlich optimal, weil wir von beiden Ländern und beiden Kulturen jeweils das Schöne und Gute haben.“

Und zum Schluss dann doch noch Fußball

Ein Thema darf wahrscheinlich nie fehlen, wenn Deutsche und Holländer miteinander ins Gespräch kommen: König Fußball. Wie es denn zu Zeiten von Länderspielen sei, wollen wir von Ihnen wissen. Ob es dann schon auch schon mal zu Ressentiments zwischen den beiden holländischen Therapeuten und Ihren deutschen, fußballbegeisterten Patienten kommen würde. Sie lachen: „Nein, das ist für uns überhaupt kein Thema. Früher mag es ja so gewesen sein, dass sich die beiden Länder in Punkto Fußball nicht grün gewesen sind, aber die Zeiten sind lange vorbei. Im Gegenteil. Mittlerweile“, so erzählen sie, „wird die Leistung der deutschen Mannschaft sogar von holländischen Kommentaren anerkannt und gelobt.“

Es zieht im Rücken

Leider ist unsere gemeinsame Zeit schon wieder um. Auf die beiden Therapeuten warten die nächsten Patienten und auch mich ein übervoller Schreibtisch. Doch im Aufstehen merke ich, wie es im Rücken zieht und knirscht. Ich glaube, dass es, Rezept hin oder her, Zeit für ein bisschen Krankengymnastik oder eine Massage wird. Also verabrede ich am Empfang noch einen Termin, aber das wird eine neue Geschichte und die wird ein anderes Mal erzählt.

Für die beiden Massagebilder bedanken wir uns bei Mathias Balzer von Pixelio



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