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Wie wird man eigentlich Schaubudenbesitzer, Herr Schmitz?


„Eigentlich“, meint er, „mögen die Jahrmarktsbesucher nostalgische Schaustellergeschäfte. Auch, wenn viele diese als Kinder selbst schon nicht mehr erlebt haben, es gefällt Ihnen einfach. Aber“, fährt er fort, „wenn die Leute länger warten müssen, ...  

Wie wird man eigentlich Schaubudenbesitzer, Herr Schmitz?

Es ist der Sonntag nach Ostern und zusammen mit etlichen anderen Besuchern schlendern wir durchs Freilichtmuseum in Kommern und bewundern den nostalgischen Charme alter Schaubuden aus dem letzten Jahrhundert.

Wir sind schon auf dem Rückweg, da kommen wir an einer Attraktion vorbei, die uns in großen Lettern eine anatomische Ausstellung ankündigt: „Wissenschaftlich, warnend, belehrend“ heißt es da. Unter anderem, so ist zu lesen, erwartet uns hier in Abteilung I „Die Gefahren des großstädtischen Lebens und seine traurigen Folgen in Bezug auf das Geschlechtsleben“ sowie auch „Gasvergiftungen, die im chemischen Kriege eine Rolle spielen, zu sehen an 3 lebensgroßen Modellen“.

Zu gerne würden wir uns ja warnen und belehren lassen, aber mit dem „Wuff“ an unserer Seite ist es leider nicht möglich, Hunde dürfen eben nicht mit rein, obwohl, recht bedacht, würde auch unserer allzu leichtgläubigen Aika die ein und andere Warnung, vielleicht davor, dass man nicht unbesehen etwas vom Wegesrand fressen sollte, auch nicht schaden.

Dann aber zieht ein Hinweisschild unsere Neugier auf sich. Diese Schaubude, so heißt es dort, sei, nach dem sie zuletzt in Holland ihren mehr oder minder unverdienten Vorruhestand angetreten hätte, 2013 in die Hände eines Bedburger Unternehmers gewechselt, der sie nun zu neuem Leben erweckt hätte.

Gut, denken wir uns, wenn wir uns schon mit Blick und Rücksicht auf die zarte Hundeseele die Ausstellung entgehen lassen müssen, dann können wir uns doch mal mit dem Besitzer der Attraktion unterhalten und rufen denselben und verabreden uns kurzerhand mit Dominik Schmitz zu einem Termin.

Vom Journalisten zum Sideshow-Manager

Dabei ist Schmitz die Tätigkeit als Sideshow-Manager nicht gerade in die Wiege gelegt worden, entstammt er doch keinesfalls einer Schausteller-Dynastie, im Gegenteil.

Nach dem Abitur studierte er zunächst in Köln Geschichte und Germanistik. Berufsziel: Journalist. „Zwar habe ich schon damals mit historischen Jahrmarktsattraktionen beschäftigt“, erzählt er uns, „aber das war zu diesem Zeitpunkt einfach nur ein Interessengebiet, aber noch nicht mehr.“ Schlechte Berufsaussichten und wie so oft im Leben ein reiner Zufall führten dazu, eine ganz andere berufliche Laufbahn einzuschlagen.

Mister Miller aus Elsdorf

Benno Miller, der in den frühen 1960er Jahren das reisende Varieté- & Schau- Unternehmen „Mister Miller's Show“ gründete, war in direkter Nachbarschaft, nämlich in Elsdorf ansässig. Nach seinem Tod und dem seiner Witwe kaufte Dominik Schmitz 2007 kurzerhand das Unternehmen auf. „Sehen Sie“, erinnert er sich, „natürlich hatte ich zu Beginn meines Studiums noch die Hoffnung als Journalist zu arbeiten, aber die Konkurrenz ist derartig groß, dass ich, als ich vom Verkauf der „Mister Miller Show“ hörte, zugegriffen habe. Für mich war es einfach die Möglichkeit Hobby und Beruf auf einen Nenner zu bringen“ er hält inne, bevor er fortfährt, „oder eben eine Berufung wie es ein Freund, der rund 40 Jahre mit seinen Schaubuden durch Europa reiste, einmal ausdrückte. Man muss schon mit Leib und Seele dabei sein, wenn man in diesem Metier tatsächlich erfolgreich sein will.“

Ein Leben auf dem Rummelplatz

Seitdem verbringt er einen großen Teil seines Lebens unterwegs. „Ach wissen Sie“, meint er auf unsere Frage nach dem Leben auf der „Straße“. „So ist es ja nun auch nicht. Im Grunde ist es ja fast wie zu Hause. Mein Wohnwagen ist eben meine zweite Wohnung, nur dass hier alles etwas kleiner ist. Statt einem großen Bad hat man eben nur eine kleine Dusche und statt der Einbauküche muss man sich mit einer kleinen Kochnische zufrieden geben. Aber ansonsten tut sich das doch nicht viel.“

Nostalgie ist schön, aber schwierig

Vor unserem geistigen Auge lassen wir die klassischen Kirmesattraktionen Revue passieren: Autoscooter und Entchenangeln, und natürlich jede Menge Fahrgeschäfte, je höher und schneller desto besser. Aber die „guten, alten“ Attraktionen, Schaubuden und Revues? Fehlanzeige. „Ja“, bestätigt er uns. „In Deutschland sind wir relativ selten vertreten. Sehen Sie“, fährt er fort, „unsere Attraktionen benötigen in der Regel mehr Platz, allein schon dadurch, dass in unseren Shows diverse Artisten auftreten, die natürlich auch alle Standflächen für ihre Unterkunft benötigen.“ Allerdings richtet sich hier der Preis ausschließlich nach der benötigten Quadratmeterfläche, unabhängig von der tatsächlicher Besucher-Kapazität der Shows/Attraktionen. „Da ist man dann schon mal schnell an den Grenzen der Wirtschaftlichkeit angekommen“, lächelt er. Jahrmärkte wie der in Kommern, die entweder ausschließlich auf nostalgische Attraktionen setzen oder wenigstens einen gesonderten Teil mit historischen Fahrgeschäften anbieten sind hier selten.

Andere Länder, andere Sitten

Ganz anders bei unseren westlichen Nachbarn. In Holland, Belgien und auch Frankreich sind gerade die traditionellen Fahrgeschäfte und Schaubuden fester Bestandteil eines jeden Volksfestes. Anders als in Deutschland werden Jahrmärkte und Zirkusse eher als Kultur denn als Unterhaltung verstanden und auf die besonderen Anforderungen, die die nostalgischen Attraktionen stellen, wird hier eher eingegangen. „In Holland“, so erklärt er uns, „werden Standflächen auf Jahrmärkten vom jeweiligen Veranstalter angeboten und es ist Sache der Schausteller ein Gebot, also ähnlich wie bei einer Auktion, auf den jeweiligen Platz je nach Art der Attraktion abzugeben.“ Zwar hat auch dieses System seine Tücken, da aber hier in verschiedenen Kategorien wie Karussells, Geisterbahnen, Schaubuden, Autoskooter, etc. – geboten wird, sind die Möglichkeiten eine Standfläche zu einem vertretbaren Preis zu erhalten einfach größer.

Keine Zeit, keine Geduld

„Eigentlich“, meint er, „mögen die Jahrmarktsbesucher nostalgische Schaustellergeschäfte. Auch, wenn viele diese als Kinder selbst schon nicht mehr erlebt haben, es gefällt Ihnen einfach. Aber“, fährt er fort, „wenn die Leute länger warten müssen, gehen sie weiter und geben ihr Geld lieber an anderer Stelle aus. Da ist unser anatomisches Kabinett eine gute Ergänzung, da man hier nicht auf den Beginn der Veranstaltung warten muss, sondern jederzeit in die Ausstellung kann.“

Mädchen für alles

Wir kommen noch einmal auf unsere anfängliche Überlegung zurück und fragen, welche Fähigkeiten man den beherrschen muss, will man in seinem Gewerbe erfolgreich sein. Er lacht bevor er antwortet. „Eigentlich müssen Sie von allem etwas können“, meint er dann. „Zunächst braucht es eine Menge Enthusiasmus, dann etwas Organisationstalent und ein bisschen handwerkliches Geschick ist natürlich auch von Nöten.“ Besonders stolz ist er auf die größtenteils originalen Exponate seiner „Anatomischen Ausstellung“. „Früher wurde ja alles aus Wachs gefertigt“, erklärt er uns und das leidet natürlich im Laufe der Jahre. Also muss man schauen, dass man sich eben schlau macht, wie man die Exponate fachgerecht lagert, damit es nicht zu weiteren Schäden kommt und wie man im Falle eines Falles einen Schaden sachgerecht ausbessern kann.“ Also steckt auch ein Stück Restaurator im Schaubudenbesitzer? Fragen wir. „Ja“, lacht er, „ganz sicher auch das. Man ist eben Mädchen für alles. Aber welcher Selbstständige ist das am Ende nicht?“

Wer kennt wen, wer wen kennt

Woher man denn die Künstler so nehme, die in seiner Kuriositätenshow auftreten wollen wir wissen. Immerhin laufen einem ja nicht jeden Tag Mädchen ohne Kopf, Damen ohne Unterleib oder der „König der Qualen“ über den Weg. Er winkt ab: „Im Grunde funktioniert es wie in jedem anderen Netzwerk. Da wir ja ein relativ überschaubarer Kreis sind, kennt man sich unter einander, spricht Empfehlungen aus und trifft sich immer wieder bei den verschiedenen Veranstaltungen. Da ist es kein großes Problem hin und wieder neue beziehungsweise andere Künstler zu engagieren, um immer wieder mit einem neuen Programm an den Start zu gehen.“

Eine Frage stellen wir nicht

Ein bisschen zwickt uns ja schon die Neugier, ob den all die Attraktionen wirklich echt sind oder ob es alles nur Illusion ist und schon fast liegt uns die Frage auf der Zunge, ob er das ein und andere Geheimnis für uns lüften will. Dann aber entscheiden wir uns doch dagegen, denn irgendwie erscheint es uns so, als würden wir die Geschenke schon vor dem Heiligen Abend auspacken und ein bisschen Spannung und Nervenkitzel wollen wir uns doch durchaus erhalten, wenn es heißt: „Willkommen in der Welt der nostalgischen Attraktionen.“

Die Fotos der historischen Attraktionen wurden uns freundlicherweise von Dominik Schmitz, Paradox-Sideshow, zur Verfügung gestellt. Alle Weiteren: DWW.



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