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Von einem, der auszog für’s Lesen zu werben


Die Höhner feiern 40 Jahre Bühnenjubiläum und der Terminkalender ist vollgepackt; dennoch sagt uns der Höhner-Frontmann, Henning Krautmacher, auf unsere Anfrage, ob er sich mit uns über Lesen und Bücher unterhalten wolle, sofort einen Gesprächstermin zu.  

Von einem, der auszog für’s Lesen zu werben

Die Höhner feiern 40 Jahre Bühnenjubiläum und der Terminkalender ist vollgepackt; dennoch sagt uns der Höhner-Frontmann, Henning Krautmacher, auf unsere Anfrage, ob er sich mit uns über Lesen und Bücher unterhalten wolle, sofort einen Gesprächstermin zu.

„7,5 Millionen Menschen in Deutschland können nicht richtig lesen“, eröffnet er das Gespräch. „Erst dachte ich, dass ich mich verhört hätte oder dass da jemand eine Null zu viel an die Zahl gehängt hat, aber es stimmt. In Deutschland leben rund 7,5 Millionen Analphabeten. Menschen, die nicht nur vom Bücherlesen ausgeschlossen sind. Das Problem geht ja viel weiter. Denken Sie mal an Speisekarten in Restaurants, an Bedienungsanleitungen, an Briefe von Ämtern, die Tageszeitung und Fernsehzeitschriften. Auf diese Art von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, ist schlichtweg eine Katastrophe.“

Wir müssen das erst einmal sacken lassen, aber sicher, er hat Recht. Wem die Fähigkeit Lesen und Schreiben zu können so selbstverständlich erscheint wie Atmen, dem ist kaum bewusst, wie ungeheuer schwierig ein Leben sein muss, wenn Buchstaben wenig bis keinen Sinn ergeben.

Bücher holen, Geld verdienen, Eis essen

„Ich selber“, erzählt Krautmacher, „komme aus sehr behüteten Verhältnissen. Meine Großmutter hat uns immer sehr viel vorgelesen. Zunächst ganz klassisch die Grimms-Märchen, obwohl ich die ziemlich gruselig fand. Und dann auch die von Hans Christian Andersen, die haben mir eigentlich immer besser gefallen. Und meine Urgroßmutter hatte noch ein Buch in Sütterlin, die Schrift kennt ja heutzutage fast niemand mehr, das hieß ‚mein erstes Lesebuch‘. Daraus hat also die Uroma uns immer Geschichten vorgelesen.“

Später hat er dann sogar sein erstes eigenes Geld quasi mit Büchern verdient, denn wenn er einmal in der Woche für die Oma zum Büdchen ging, um ihr für damals 40 Pfennig das Stück zwei Frauenromane auszuleihen, durfte er das Wechselgeld behalten. „20 Pfennig“, erinnert er sich, „das war damals eine Menge Geld. Da gab es dann schon ein Eis dafür, so eins mit zwei Stielen.“ So etwas prägt natürlich und weckt schon früh den Spaß am Lesen. „Ich war dann auch ganz wild darauf selber lesen zu können“, fährt er fort, „und hatte auch insofern Glück, dass meine Lehrerin in der Grundschule, Fräulein Westrup, mich sehr gefördert und ziemlich schnell als Vorleser bei Schulfesten eingeteilt hat. Eigentlich war ich schon immer eine Rampensau“, er lacht, „und das hat mich natürlich noch mehr angespornt, nicht nur selber zu lesen, sondern auch vorzulesen.“

Als Kind hat er dann die Jugendbücher von Enid Blyton verschlungen, sämtliche Abenteuer um die „Fünf Freunde“, „Die schwarze Sieben“ oder „Geheimnis um …“. Nur Karl May hat er bis heute nicht gelesen. „Lesen bildet nicht nur, es entspannt auch“, findet Krautmacher. „Es ist ja nicht nur so, dass man einfach lesen können muss, um sich in der Welt zurecht zu finden“, meint er, „Bücher eröffnen einem doch auch völlig neue Welten. Wenn ich jetzt zurückblicke, dann waren diese Geschichten von den Kindern, die auf Verbrecherjagd gingen, natürlich ziemlich unrealistisch, aber Kind fand ich das toll. Ich habe die Helden meiner Bücher bewundert und wollte vielleicht auch ein Stück so sein wie sie. Später kamen dann natürlich andere Bücher dazu. Auch Roald Dahl, Konsalik und Harold Robbins. Das war natürlich nicht gerade die hohe Schule der Literatur, aber es ist ja alles eine Frage des Alters und der Entwicklung. Man arbeitet sich quasi auch beim Lesen langsam hoch bis man dann bei den literarisch hochwertigen Büchern angekommen ist.“ Den Aspekt, ob Bücher nun pädagogisch wertvoll sind oder nicht, findet er dabei nicht so wichtig: „In erster Linie müssen sie doch Spaß machen und spannend sein“, sagt er, „wenn durch Vorlesen bei Kindern erst einmal die Lust am Buch geweckt worden ist, dann kommt der Rest irgendwann schon von allein.“

Somit sind wir gleich beim nächsten Thema gelandet, denn Krautmacher engagiert sich bereits seit Jahren für die Stiftung Lesen als Botschafter des Lesens, wurde 2009 mit dem AusLese-Preis  als „Botschafter des Lesens“ ausgezeichnet, ist Jurymitglied wenn es darum geht Vorlesepaten für ihr ehrenamtliches Engagement auszuwählen und zu ehren.

Laufen für’s Lesen

Vor einigen Jahren wurde der Musiker dann von Oliver Gritz eingeladen, sich doch an der Aktion „Ride for Reading“ zu beteiligen. „Das Projekt ist toll, aber bei dem Gedanken, dass ich mal eben 800 Kilometer auf dem Fahrrad sitzen soll, tat mir doch ziemlich der Hintern weh“, gesteht er. „Ich habe dann Oliver im Gegenzug vorgeschlagen, dass wir doch gemeinsam laufen könnten und so kam es zum Kölner Leselauf. 2011 waren es rund 400 Leute, die sich an der Aktion beteiligt haben“, freut er sich. „In diesem Jahr waren es schon so um die 600, aber die Einrichtung von Leseclubs ist nicht ganz billig und deshalb werden wir auch im kommenden Jahr wieder für die gute Sache an den Start gehen und hoffen natürlich, dass wieder ganz, ganz viele mit dabei sind.“

Hierbei geht es darum, dass durch die eingenommenen Spendengelder in Schulen, die zumeist in sozialen Brennpunkten angesiedelt sind, sogenannte Leseclubs eingerichtet werden. Leseclubs sind speziell auf die Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen abgestimmte Büchereien, die neben dem klassischen Medium Buch auch Hörbücher, E-Reader und Computer zur Verfügung stellen und unter Anleitung von speziell geschulten Betreuern den stress- und frustfreien Zugang zum Lesen und somit zu Bildung möglich machen. „Sehen Sie“, erklärt uns Krautmacher, „in Elternhäusern, in denen Kindern schon früh vorgelesen wird, ist vieles ganz einfach. Die Kinder lernen früh, dass Bücher lustig, spannend oder lehrreich sind. Sie werden später meist selbst zu Lesern. Natürlich haben diese Kinder von vorherein ganz andere Zugangschancen zu Bildung.

Lesen fängt mit „V“ an – mit Vorlesen

Dazu kommt, das Vorlesen für alle schön ist. „Früher als meine Söhne klein waren, habe ich ihnen immer viel vorgelesen. Wenn ich jetzt in Kindergärten vorlese, dann passiert es ganz schnell, dass die Kurzen immer näher rücken, um einen noch besseren Blick in das Buch werfen zu können. Ihnen läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn sich die Kleine Raupe Nimmersatt durch ihren gesamten Speiseplan futtert, sie fiebern mit, wenn Lotta sich auf die Jagd nach einem Weihnachtsbaum begibt. Und dann bin ich mir sicher: Es kann eigentlich kaum etwas Schöneres geben. Und wenn sie dann mittags nach Hause gehen und da erzählen: ‚Hört mal, heute war einer im Kindergarten und der hat uns was vorgelesen, können wir das hier auch mal machen‘, dann weiß ich, dass ich meine Zeit gut eingesetzt habe.“

Doch nicht nur für Kinder liest der gebürtige Leverkusener. Nachdem Rolly Brings die Hausmärchen der Brüder Grimm op kölsch übersetzt hat, war er begeistert mit von der Partie als es hieß: Daraus machen wir ein Hörbuch. „Vun einem, der ustrok, et Förchte ze lihre“ hat schon immer zu seinen Lieblingsmärchen gehört, obwohl es, wie er zugibt, ziemlich gruselig zugeht. Ein Weilchen werden wir uns noch gedulden müssen, bis auch wir uns in den Hörgenuss bringen können, aber dann wird es heißen: Nichts wie ran an die Scheiben, die im J.P. Bachem Verlag erscheinen werden und hören, wie unserer Kindheitsklassiker gelesen von Rolly Brings, Henning Krautmacher und Freunden sich op Kölsch anhören werden.

Bücher sind schön, aber Medienmix muss sein

Aber natürlich ist der Höhner-Frontmann nicht nur ein engagierter Vorleser, sondern auch selber begeisterter Leser und wir fragen ihn, wie er denn die Zukunft des Buches beurteilt. „Ich glaube nicht, dass das Buch ein aussterbendes Medium ist“, antwortet er. „Es kommt eben immer darauf an. Als die Biographie von Steve Jobs erschien, war diese zunächst nur als E-Book erhältlich. Also habe ich zugegriffen und fand es gleich doppelt spannend: Nicht nur die Lebensgeschichte des Apple-Gründers zu lesen, sondern das auch noch auf einem Gerät, das er quasi entwickelt hat. Doch, E-Books sind praktisch, aber ich glaube, den sinnlichen Wert eines Buches können sie nicht ersetzen.“ Es ist, wie so vieles im Leben, eine Frage der Mischung. „Zum Frühstück will ich den Stadtanzeiger noch richtig in der Hand haben, aber manches kommt über das Internet dann doch besser rüber“, meint er, „viele O-Töne, die man dann im Video sehen und hören kann, sind einfach glaubwürdiger als im geschriebenen Text. Hier hört man Zwischentöne und erkennt Emotionen, die sonst womöglich verloren gingen.“

Schade, dass er gehen muss

Die Zeit mit Henning Krautmacher ist wie im Flug vergangen, wie es eben so geht, wenn Menschen sich miteinander unterhalten, die sich für ein gleiches Thema begeistern können. Aber so ist es nun einmal mit Jubilaren – die Termine drängen und die Zeit ist knapp. Es bleibt uns also nur noch wenig zu sagen, aber das wollen wir noch loswerden: „Herr Krautmacher, wir danken Ihnen nicht nur dafür, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben, sondern vor allem dafür, dass Sie sich so viel Zeit für Ihr ehrenamtliches Engagement in Sachen Lesen nehmen. Denn je mehr Menschen an Bücher und Bildung herangeführt werden, desto besser für uns alle.“
Fotos: "Henning liest vor" und "Henning mit Lesepreis" mit freundlicher Genehmigung von Henning Krautmacher; alle Weiteren: Laetitia Vitae



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