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Leben mit Igel


Auch sie vermag nicht abzuschätzen wie viel Igel in den vergangenen Jahrzehnten wohl durch ihre pflegenden Hände gegangen sind. „In den vergangenen Jahren waren es immer so um die 400 Tiere, die hier aufgenommen wurden.“ Dabei bekommen die Tiere ...  

Leben mit Igel

In der vergangenen Woche erreichte uns über Dirk Springob, Sprecher der Stadt Pulheim, der offene Brief von Karin Oehl, in dem Sie für mehr Igelschutz im heimischen Garten warb.

Neugierig geworden haben wir zum Telefon gegriffen und uns mit ihr, die vielen weit über die Kreisgrenzen hinaus als „Igelmutter“ bekannt sein dürfte, zum Gespräch verabredet.

Dabei werden wir, als wir sie besuchen beileibe nicht von Igeln, sondern von einer fröhlich bellenden Hundeschar nebst schnurrenden Katzen begrüßt.

Am Anfang war der Iltis

Schnell kommen wir darauf, wie es damals vor rund 40 Jahren alles anfing. „Sehen Sie“, erzählt sie während sie Tassen und Kaffeekanne auf den Esstisch stellt. „Eigentlich bin ich mehr oder minder durch Zufall auf das Thema gekommen.“ Denn eines Tages kam ihr Sohn mit einem Jung-Iltis vom Judo-Training, dessen Mutter überfahren worden war. Und wie wir Mütter so sind, bringen uns die Kinder ein verletztes Tier ins Haus. Wir tun, was immer wir tun können, um Leben zu retten. Kurz und gut: Der Iltis wurde gesund gepflegt und dann, wie es sich für Wildtiere nun einmal gehört, wieder in die Natur und Freiheit entlassen. „Aber komisch war es schon“, erinnert sie sich, „zu ruhig irgendwie.“ Da sprach sie eine Kollegin vom DRK an und bat sie um die Aufzucht von einigen Jungigeln, die noch zu klein waren, um allein in freier Wildbahn überleben zu können.

Nun ja, wer einmal das Vergnügen hatte, den putzigen Gesellen tief in die Knopfaugen zu schauen, den wird es nicht wundern, dass sie ihr Herz an die Igel verlor.

Lernen für die Igel

Heute ist es ja ziemlich einfach. Ein bisschen Surfen im Internet und schon haben wir mehr Informationen als wir am Ende verarbeiten und brauchen können. Aber damals, vor gut 40 Jahren, sah die Welt noch anders aus. „Mir war ziemlich schnell klar, dass ich, wollte ich den Tieren wirklich gezielt helfen, einfach mehr über Igel lernen muss“, erzählt sie. Sie fragte rum, besorgte sich das wenige, was an Fachliteratur zu bekommen war und reiste durch die halbe Republik, um sich mit Experten zu treffen, Fragen zu stellen und auszutauschen.

Ein großer Schritt war dann die Gründung des Vereins „Pro Igel“, in dem sich Tierschützer, Wissenschaftler, Forscher, Biologen, Tierärzte, Sachbuchautoren und die Vorsitzenden großer deutscher Igelschutzvereine zusammengefunden haben. Hier bekommen nämlich nicht nur „Igelfinder“, sondern auch Tierärzte im Zweifelsfalle sachdienliche Hinweise, was die Behandlung und Pflege kranker Tiere angeht. „Sehen Sie“, erklärt sie uns, „Igel werden in den Vorlesungen so gut wie nicht behandelt. Entsprechend kennen sich die wenigsten Tierärzte wirklich mit ihnen aus und sind deshalb in der Regel dankbar, wenn sie über den Verein mehr Informationen bekommen können.“

Ein Bild des Schreckens

An dem Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ ist schon eine Menge dran. Entsprechend lädt uns Karin Oehl ein, sich ein paar ihrer Schützlinge, die bei ihr Unterkunft und Hilfe gefunden haben, einmal näher anzuschauen. Wir gehen mit ihr in den Keller, wo sich in einem großen Raum Käfig an Käfig reiht. Jeder ausgelegt mit einer dicken Lage Zeitungspapier und einem Unterschlupf.

„Dieser hier“, sagt sie und hebt eines der stacheligen Kerlchen aus seinem Käfig, „ist von einer Elektrosense schwer verletzt worden und musste vom Tierarzt behandelt werden. Jetzt bleibt er bei uns, bis alle Wunden abgeheilt sind, dann kann er wieder in seine natürliche Umgebung zurück.“ Ein anderer, von Geburt an blind, verbringt hier die Zeit, bis seine Betreuerin wieder aus dem Krankenhaus kommt und sich seiner wieder annehmen kann. Ein anderer zieht sein eines Beinchen nach. „Zunächst muss er erst einmal geröntgt werden, damit wir wissen, was ihm tatsächlich fehlt“, erklärt sie und dann sehen wir weiter.

400 und noch viel mehr

Auch sie vermag nicht abzuschätzen wie viel Igel in den vergangenen Jahrzehnten wohl durch ihre pflegenden Hände gegangen sind. „In den vergangenen Jahren waren es immer so um die 400 Tiere, die hier aufgenommen wurden.“ Dabei bekommen die Tiere in der Regel hier eine Erstversorgung bevor sie an andere Pflegestellen oder an die Finder weiter- oder eben zurückgegeben werden.

Aus Altersgründen kann und will sie nicht mehr so viele Tiere aufnehmen wie in den vielen Jahren zuvor, aber dennoch, wenn die Not groß ist, schickt sie niemanden fort. „Tierschutz ist auch Menschenschutz“, so ihr Credo. „Wenn man mich anruft und ich merke, dass ihm das Wohl des Tieres am Herzen liegt und er selbst betroffen ist, dann kann ich gar nicht anders, dann muss ich helfen.“ So einfach ist das. Aber, auch das wollen wir nicht außer Acht lassen, besser wäre es, wenn sie eben nicht helfen müsste, weil es unserem insektenfresssenden Gartenbewohner gut geht.

Die Sonne bringt es an den Tag

Ein gesunder Igel hat eine tropfenförmige Figur: Vorne spitz und hinten rund und lässt sich in der Regel nicht bei hellem Sonnenschein sehen. „Igel“, erklärt sie uns, „sind dämmerungs- bis nachtaktive Tiere. Läuft Ihnen tagsüber ein Igel über den Weg, können Sie eigentlich ziemlich sicher sein: Da stimmt etwas nicht.“ Dann sollte man zunächst einmal dafür sorgen, dass das Tier sicher untergebracht wird. Ein Umzugskarton und darin ein umgedrehter Schuhkarton mit einem Loch, aus dem er rein- und rausgehen kann, reicht für eine kurze Erstunterbringung. Über das Infotelefon von Pro Igel kann man sich telefonisch beraten lassen und auch erfahren, welcher Tierarzt in der näheren Umgebung das Wildtier unter Umständen fachkundig behandeln kann. „Da es sich meist um kranke oder verletzte Tiere handelt“, so die aktive Tierschützerin, „sollte man so wenig Zeit wie möglich verlieren.“ Aber auch hier gilt: Igelstationen können Rat und Hilfe anbieten, aber sie sind keine generelle Abgabestelle. „Wollten wir jedes Tier hier aufnehmen, wären wir heillos überlastet. Eine korrekte Behandlung wäre dann nicht mehr möglich und aus Tierschutz würde mangels Platz und Zeit zur Tierquälerei und das darf nicht passieren,“, sagt sie und wünscht sich, dass die Igel nach Möglichkeit in ihrer angestammten Umgebung bleiben können oder nach kurzer Zeit wieder dorthin zurückkönnen.

Mit ohne geht auch

Wir schauen in ihren Garten, wo es schon mächtig grünt und blüht. „Natürlich macht ein Garten so ganz ohne chemische Keule mehr arbeitet“, sagt sie. „Wenn jetzt unsere letzten Überwinterungsgäste ausgewildert sind und die Käfige von der Terrasse geräumt werden können, wird mein Mann das Unkraut wieder manuell entfernen. Ein bisschen mühselig ist es schon, aber andererseits profitieren auch wir selbst davon, denn auch wir wären ja vom Gifteinsatz betroffen. Dabei kann man mit ein bisschen Umsicht und Bedacht viel dafür tun, dass es nicht nur unseren Mitgeschöpfen, sondern auch uns selbst gut geht. Igel essen, anders als man denkt, in der Regel keine Äpfel, sondern ernähren sich von Insekten, Würmern und zur Not auch Schnecken. Damit ein ausgewogenes Nahrungsangebot zur Verfügung steht, sollte man dafür Sorge tragen, auch Blumen und Pflanzen im Garten auszusäen und anzubauen, die die heimische Insektenwelt unterstützt. „Stellen Sie, wenn es im Sommer extrem lange trocken und heiß ist, einfach ein Schälchen frisches Wasser hin, das reicht in der Regel völlig aus“, so die Igel-Expertin.

Wenn am Ende noch so viel Themen übrig sind

Wir könnten uns, wie uns das meist so geht, noch stundenlang mit Karin Oehl unterhalten, aber ein Blick auf die Uhr sagt, dass wir uns langsam verabschieden müssen.

Wir lassen unsere Blicke über die vielen Käfige und ihre Bewohner, die noch auf die Auswilderung warten, auf der Terrasse schweifen und fragen uns, wer sich zukünftig der Tiere annehmen wird, wenn sie auch aus Altersgründen ihr Engagement weiter zurückfahren wird. Ob es Nachfolger geben wird, die sich so bedingungslos für Erinaceus europaeus Linné 1758 einsetzen werden? „Ach“, sagt sie, „natürlich darf man nicht die Stunden und die Tage, die Wochen, Monate und Jahre zählen, die ich und alle Ehrenamtler dieses Landes so aufbringen. Und gewiss auch nicht, was an Geld und Energie in unsere Arbeit fließt. Aber wissen Sie“, sie lächelt, „mir hat mein Engagement immer mehr gegeben als es mich gekostet hat. Es hat mein Leben reich gemacht und bereichert mich bis heute immer wieder mit Begegnungen mit anderen Menschen, mit Glückgefühlen, wenn einer meiner Pfleglinge wieder heil und gesund in seinen angestammten Lebensraum entlassen werden kann, mit dem guten Gefühl, meine Lebenszeit nicht vertan zu haben.“

Wir nicken, dem ist nichts hinzuzufügen.

 



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