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Das Leben duldet kein Vakuum


Sie sehen: Das Leben – jedenfalls das der Eheleute Claus – duldet kein Vakuum und das ist gut, denn so bleibt uns ja gleich wieder etwas zum Freuen, zum Staunen und zum Blättern, wenn die beiden uns die Geschichte des Walzwerks erzählen …  

Das Leben duldet kein Vakuum

Bestimmt hören die Pulheimer das nicht gern, aber am Ende sind wir ja doch nur ein Dorf, wenn auch mittlerweile ein recht Großes. Wie es so geht, treffen wir auf der Art:Pul nicht nur Ed Werner, sondern auch Mecki Claus, die zu ihrer Zeit im Walzwerk mit ihrem Puppentheater nicht nur die kleinen, sondern auch die großen Leute in ihren Bann zog. Jetzt aber treffen wir sie nicht mit Puppen, sondern mit einem schweren Karton bepackt an und in ihm druckfrisch die Geschichte des Hauses Orr.

Und wie das so geht, man kennt sich ja schließlich, stellt Ed Werner gleich den Kontakt zwischen uns her und schwatzt ihr quasi ein Freiexemplar für mich ab, damit ich, so seine Idee, eine Buchrezension darüber schreiben könne. Als ich so einen ersten schnellen Blick hineinwerfe, kommt mir eine andere Idee…

The making of

Frei nach Loriot würde ich sagen, dass ein Leben ohne Bücher zwar möglich, aber sinnlos ist. Egal, wo ich gehe, stehe oder sitze, irgendein Buch habe ich immer griffbereit in der Nähe. Ob Kochbuch oder die aktuellsten DIY-Trends, Hardcore-Thriller oder Liebesschnulze, ich kann einfach nicht ohne, aber in den wenigsten Fällen mache ich mir wirklich Gedanken darüber, was es alles gebraucht hat, damit aus einer Idee ein Buch wurde. Also denke ich mir, dass es doch eine gute Idee ist, sich mal von Wilfried und Mecki Claus erzählen zu lassen, was alles nötig war, damit die Geschichte des Rittergutes Orr am Ende nicht nur handlich, sondern vor allem auch anschaulich und unterhaltsam zwischen zwei Buchdeckeln gelandet ist.

Hautnah dran

Über Jahre hinweg führte der Weg zur Arbeit und zurück Wilfried Claus nahezu jeden Tag an der Ruine in Orr vorbei. „Irgendwie hat mich das alte Haus immer fasziniert“, erzählt er, während wir uns gemütlich zu einer Tasse Kaffee treffen. „Je nach Jahreszeit und Tageslicht war es einfach immer wieder anders und trotzdem immer wieder schön.“

Trotzdem – das erste Foto hat er erst „geschossen“, nachdem das Objekt von Rüdiger Schmidt-Holzmann erworben worden ist. Ob er denn nicht schon vorher mal mit dem Gedanken gespielt hat Fotos zu machen, will ich von ihm wissen, doch er winkt energisch ab. „Es gab einen Zaun. Auch, wenn er an einigen Stellen niedergetreten war, es war Privatbesitz, das betritt man nicht ohne Erlaubnis.“ Nachdem ihm der neue Eigentümer jedoch einen Schlüssel für das Tor übergeben hatte, kannte er kein Halten mehr.

Im Rausch der Bilder

Wann immer er Zeit erübrigen konnte, das Licht und die Umstände günstig waren, zog es ihn immer wieder nach Orr: Der erste Schnee im Winter 2010, der Beginn der ersten Sicherungsmaßnahmen und die sich daran anschließenden Restaurierungsmaßnahmen, der Park im Wandel der Jahreszeiten, kaum eine Veränderung, kaum ein Detail entging ihm und so entstand langsam aber bildgewaltig quasi die „neue“ Geschichte des Rittergutes Orr in einer ungezählten Zahl von Bildern.

Eine fruchtbare Zusammenarbeit

Doch nicht nur neue Bilder vom aktuellen Werden und Wachsen des zur Ruine verkommenen Bauwerks schufen, sammelten und archivierten Wilfried Claus und seine Frau. Auch alle historischen Fotografien, meist Glasnegative im Format 9 x 12 cm, die Rüdiger Schmidt-Holzmann bei seinen Recherchen zur Geschichte des Hauses Orr auftreiben konnte. Einige wurden bereits in anderen Publikationen veröffentlicht, so in den "Pulheimer Beiträgen zur Geschichte und Heimatkunde", doch er hat sie bearbeitet und zu neuem Leben erweckt.

Die Begeisterung teilen

Im Rahmen der Art’Pu:l präsentierte Claus in seinem Atelier im Walzwerk zum ersten Mal Teile seines fotografischen Werks über Haus Orr im Rahmen eines Fotobuches der Öffentlichkeit und war selbst erstaunt, wie groß das Interesse vieler Besucher war. „Auf einmal kamen immer mehr Menschen zu uns ins Theater und ins Atelier und erzählten Geschichten und Begebenheiten, die sie im Zusammenhang mit dem Rittergut und dem Kriegshof erlebt hatten. Da kamen so viele Erinnerungen hoch und wir dachten uns, das darf nicht verloren gehen", erinnert sich Mecki Claus.

Auf Spurensuche

Also machte sie eine Liste mit all den vielen Besuchern, die erste Geschichten beim Besuch der Kunstmesse erzählt hatten, wandte sich an das Pulheimer Stadtarchiv und führte unzählige Interviews mit Zeitzeugen, während sie gleichzeitig fast schon „nebenher“ gemeinsam mit ihrem Mann die Geschichte des Hauses Orr und der Familie Pagenstecher recherchierte. „Mir hat es total viel Spaß gemacht hat“, erzählt sie strahlend, „auch, wenn es manchmal nicht so ganz einfach war, die Erzählungen und Erinnerungen in eine angemessene Form zu bringen.“ Auf meinen fragenden Blick hin fährt sie fort: „Sehen Sie, Erinnerungen sind sehr persönlich und sind auf ihre Art ja auch immer in ihre Zeit eingebettet. Sicher mag man in der Rückschau manches anders sehen und beurteilen als wir heute. Es geht darum, Menschen mit Achtung und Respekt entgegenzutreten, zunächst einmal nur zuzuhören, nicht zu be- oder gar zu verurteilen und dann später zu entscheiden, was man unter Umständen lieber unerwähnt lässt.“ Ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen und stimme ihr zu. Wie viel erfahre ich im Rahmen meiner Arbeit von den Menschen, denen ich begegne und wie viel von dem, was mir erzählt wird, gebe ich nicht weiter, weil es mir zu privat erscheint. Aber sie hat recht, so schön und spannend eine solche Arbeit ist, sie erfordert auch ein gerütteltes Maß an Fingerspitzengefühl.

The Making of

Wie macht man nun aus einer Fülle von Material ein Buch? „Wir haben zunächst versucht, das Material in seiner chronologischen Reihenfolge zu sortieren“, erklärt Wilfried Claus, „sind aber schnell an Grenzen gestoßen, denn es wäre ziemlich unübersichtlich geworden.“ Am Ende haben sie sich für eine thematische Gliederung entschieden, so dass man sich jetzt ganz nach Lust, Laune und Interesse einzelnen Aspekten rund um Orr, die Familie Pagenstecher, die einzelnen Gebäude, dem Park und Garten und vielen weiteren widmen kann.

Von Letter und DIN

Hilfe und Unterstützung bekamen die zwei von ihrem Sohn, der als Grafikdesigner arbeitet und gemeinsam mit ihnen die Gestaltung und Positionierung von Bild und Text entwickelte. Doch dann, es war nahezu alles fertig, begann das große Rechnen. „Wir hatten verschiedene Druckereien und Anbieter verglichen und dachten zunächst, eine Internetdruckerei wäre wohl die günstigste Lösung“, schildert Wilfried Claus gelassen das, was am Ende noch so viel Arbeit nach sich ziehen sollte. „Aber wir konnten es drehen und wenden wie wir wollten, egal wie hoch die Auflage war, der Preis pro Exemplar wollte und wollte nicht runtergehen und nun ja, bei aller Begeisterung waren wir uns ziemlich sicher, dass nur wenige 30,- Euro und mehr für ein Buch ausgeben würden.“ Also wandte man sich an eine ortsansässige Druckerei und musste feststellen, dass die bisherigen Druckvorgaben dem englischen Letter-Format, nicht aber dem in Deutschland geläufigen DIN A4 entsprachen. „Eigentlich sind es ja nur ein paar Zentimeter“ zeigt mir Claus, indem er beide Bände übereinanderlegt, aber es hat gereicht, dass wir noch mal jede Seite überarbeiten mussten.“

Ende gut, alles gut

Aber wie gesagt, am Ende haben sie es geschafft und nicht nur eins, sondern 1000 druckfertige Exemplare sozusagen in den Händen gehalten. Aber sie haben das Buch ja nicht für sich alleine gemacht, andere wollen schließlich auch ein Exemplar und so braucht man sich nicht zu wundern, dass das erste Drittel der ersten Auflage schon ruckzuck verkauft worden ist. Aber noch sind ja ein paar Exemplare verfügbar. Fragen Sie doch einfach mal bei der Mayerschen Buchhandlung Moewes auf der Venloer Straße in Pulheim oder einer anderen Filiale nach, dort wird Ihnen (zum Preis von 15,- Euro) sicher gern geholfen.

Das Leben duldet kein Vakuum

Schade, langsam neigt sich unser Gespräch dem Ende zu. Auf mich wartet zu Hause nicht nur dieser, sondern noch viele andere Texte und auch sonst nicht wenig Arbeit. So wird es Zeit, sich langsam zu verabschieden. Trotzdem möchte ich kurz vor Schluss noch eine Frage loswerden, nämlich die nach der großen Leere, wenn man ein solch umfangreiches Projekt abgeschlossen hat. „Leere? Langeweile?“ fragt Wilfried Claus erstaunt zurück. „Nein, kenne ich nicht, denn jetzt arbeiten wir an einem Buch über das Walzwerk.“

Sie sehen: Das Leben – jedenfalls das der Eheleute Claus – duldet kein Vakuum und das ist gut, denn so bleibt uns ja gleich wieder etwas zum Freuen, zum Staunen und zum Blättern, wenn die beiden uns die Geschichte des Walzwerks erzählen …

Wir danken den Eheleuten Claus sowohl für das nette Gespräch wie auch vor allem die Unterstützung mit all' den wunderbaren Bildern - alle Rechte liegen bei Wilfried Claus.



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