×

Wau Wau!



Es gibt ein Gewinnspiel auf dieser Seite, das ich erschnüffelt habe. Es gibt sogar etwas zu gewinnen und ich meine keine Knochen!

mehr erfahren Sie hier

Zu Hause ist wo man sich auskennt


Rund 464.000 Einwohner leben im Rhein-Erft-Kreis. Einer von Ihnen ist Volker Schüler, der in Frechen die Reihe dbh, documenta berchemensis historica, im Selbstverlag herausgibt und für Heimat- und Regionalforscher eine Plattform zur Veröffentlichung ...  

Zu Hause ist wo man sich auskennt

Rund 464.000 Einwohner leben im Rhein-Erft-Kreis, tragen dazu bei, dass das Leben hier schön und lebenswert ist und sicher hätte jeder einzelne von Ihnen eine hörenswerte Geschichte zu erzählen.

Einer von Ihnen ist Volker Schüler, der in Frechen die Reihe dbh, documenta berchemensis historica, im Selbstverlag herausgibt und für Heimat- und Regionalforscher eine Plattform zur Veröffentlichung ihrer Forschung zur Regionalgeschichte bietet.

Mit dem Begriff „Heimat“ tut sich der gebürtige Kölner schwer, denn er ist seiner Meinung nach zu oft missbraucht worden. „Sagen wir doch lieber »zu Hause«“, sagt und fährt lächelnd fort: „Zu Hause ist da, wo man sich auskennt.“ So besehen könnte er auch Tübingen und Göttingen als sein zu Hause betrachten, hat er doch in beiden Städten zunächst ein Medizinstudium begonnen hatte, wechselte er jedoch die Fakultät und studierte dann Neuere Geschichte, Publizistik und Theaterwissenschaften, um dann Ende der 60er Jahre als Nachrichtenredakteur zunächst bei der Deutschen Welle und dann ab 1970 in gleicher Tätigkeit beim Deutschlandfunk zu arbeiten.

"Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden", schreibt Schüler auf der Internetpräsenz seines Verlages dbh. Nur wer sich seiner Herkunft und seiner Wurzeln bewusst ist, wer um Entwicklungen, um Erfolge und Fehler aus der Vergangenheit weiß und begreift, wie es dazu hat kommen können, wird auch in der Lage sein, seine Zukunft aktiv und erfolgreich zu gestalten.

Ein Bauwerk und seine Folgen

Mehrere Entwicklungen waren es, die die Landschaft und das Leben im Rhein-Erft-Kreis entscheidend geprägt und verändert haben, erklärt Schüler im Gespräch mit uns. Da wäre als erstes die Errichtung des Erftflutkanals in den Jahren 1860 bis 1866 zu nennen. Aus verschiedenen Gründen kam es immer wieder zu starken Erfthochwässern und damit verbundenen Überschwemmungen und erst durch das neugeschaffene Bauwerk und die damit einhergehende Beseitigung der Versumpfungsflächen wurden industrielle Ansiedlungen und ein gezielter und ausgedehnter Abbau der Braunkohle erst möglich. Wir, die wir uns bisher nur am Rande mit der Geschichte des Rhein-Erft-Kreises beschäftigt haben, staunen, dass ein einziges Bauwerk, wenngleich ein gewaltiges, zu solchen Veränderungen in Landschaft und Gesellschaft führen kann. Schüler nickt: „Man muss die Dinge natürlich in ihrer Gesamtheit betrachten und versuchen sie zu verstehen, denn alles hängt zusammen. Ohne den Kanal wäre wie gesagt, kein großflächiger Tagebau möglich gewesen, denken Sie allein an das Sümpfungswasser, das abgepumpt werden muss. Zum Abtransport der Kohle wiederum benötigte man Eisenbahnen und durch die günstige Lage hat sich dann natürlich auch Industrie angesiedelt.“ Wir halten uns vor Augen, dass diese Entwicklungen eigentlich noch gar nicht so alt sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Was uns so vorkommt, als wäre „es immer schon so gewesen“ bezieht sich auf einen Zeitraum von nur rund 150 Jahren, auf die Geschichte der Menschheit gesehen eigentlich ein Klacks.

Was wir hier nur in stark verkürzter Form wiedergeben können, erfordert im „wahren“ Leben allerdings akribische Forschungsarbeit. Stunden wollen mit der Sichtung von Quellen in den verschiedenen Archiven des Kreises und der umliegenden Städte wie Köln gesucht, gesichtet und ausgewertet werden – eine Arbeit, die für Privatleute nahezu nicht machbar ist.

Der Umgang mit dem Nationalsozialismus ist bis heute nicht einfach

Weitere Forschungsschwerpunkte neben der Geschichte der Rheinischen Braunkohlenindustrie, die, wie zuvor beschrieben, erst durch den Erftflutkanal in ihren heutigen Dimensionen möglich wurde, sind die Entwicklungen im Kreis Bergheim sowohl in der Weimarer Republik wie auch in den Jahren des Nationalsozialismus und hat mit den drei vorliegenden Bänden (Bd.1 „Zwischen Kirche und Hakenkreuz“, Bedburg 1993; Bd. 2 „Rheinlandbesetzung und Rassenhaß“, Bedburg 1994 und Bd. 3 „Vom Hakenkreuz zum Sternenbanner“, Bedburg 1996) maßgeblich die Forschungslage in unserer Region vorangebracht.

Wir stellen es uns ungleich schwerer vor hier vor Ort über Täter und Opfer zu recherchieren als über die prominenten Vertreter des Dritten Reiches, die hier vor Ort kaum einer persönlich gekannt haben dürfte und die, soweit uns bekannt, auch keine persönlichen Bindungen an unsere Region haben. Er überlegt einen Moment, dann stimmt er zu: „Sicher, es ist eine Gradwanderung. Heute, gut zehn Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes, würde und könnte ich auch manches etwas anders schreiben, weil viele Akteure nicht mehr leben. Dennoch ist es nicht immer einfach. Wenn Sie sich zum Beispiel mit dem Enkel eines hohen Parteifunktionärs unterhalten, so müssen Sie verdeutlichen, dass es nicht um ihn, sondern um seinen Großvater geht und dass es keine „Erbschuld“ gibt. Kinder und Enkel müssen zwar unter Umständen für die Fehler der Vergangenheit auch heute noch gerade stehen, aber es sind nicht ihre Fehler.“ Und die Jugend von heute, fragen wir, interessiert die sich noch für die Vergangenheit. Er winkt ab: Das Interesse schwindet von Jahr zu Jahr, die Zahl der jungen Zuhörer füllt schon lange keine Säle mehr, wenn es um Erinnerungen an die „braune“ Zeit geht. Dennoch würde er sich wieder die Zeit nehmen und die Bücher erneut schreiben. „Auch diese Zeit ist Teil unserer Vergangenheit und hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir heute stehen.“

Neue Themenfelder wollen erschlossen werden

Unterdessen hat sich Schüler aber bereits wieder neuen Themenfeldern zugewandt. Neben der historischen Aufarbeitung der Entwicklungen im heutigen Rhein-Erft-Kreis im 19. Jahrhundert arbeitet er an einer Untersuchung über die Entwicklung des Pressewesens im Altkreis Bergheim.

An die 80 Publikation über die Geschichte des heutigen Rhein-Erft-Kreises, teils Bücher teils Fachaufsätze, hat Schüler seit 1985 in diversen Zeitschriften und Veröffentlichungen der Geschichtsvereine publiziert und somit das oft in Archiven nahezu vergessene Wissen über unser Woher für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht.

Wie Eingangs bereits leben rund 464.000 Einwohner im Rhein-Erft-Kreis. Einer von ihnen ist Volker Schüler, der auf seine Weise dazu beiträgt, dass wir wissen woher wir kommen und wenn wir, und sei es nur ein kleines Stück, davon lernen wohin wir gehen, dann hat sich seine Arbeit gelohnt. Es bleibt dabei: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“

Fotos: DWW



Artikel empfehlen: