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Anthony Cragg in der Synagoge


Ganz gleich, ob einem Craggs Verständnis von Kunst nun gefällt oder nicht, ob man mit seinem Werk etwas beginnen kann oder sich verständnislos abwenden wird. Auf alle Fälle wird er uns und vielleicht sogar unser Denken in Bewegung gebracht haben.  

Anthony Cragg in der Synagoge

Wer eiligen Schrittes über die Stommelner Hauptstraße geht, um noch schnell zwischen Schreibwarengeschäft, Blumenladen, Bank und Supermarkt seine Besorgungen zu erledigen, dem dürfte das schlichte schmiedeeiserne Tor mit dem Davidstern in seiner Mitte kaum auffallen. Und auch das Poster, einfach gerahmt, das neben dem Eingang hängt, wird wohl kaum Beachtung finden. Das ist gut, denn die versteckte Lage, zusammen mit der Tatsache, dass sie bereits lange vor dem Irrsinn des Novemberprogroms aufgegeben wurde, hat die Synagoge in Stommeln die Zeit überdauern lassen, bis sie vor gut 20 Jahren als Kunstraum neu entdeckt, erfunden und mit Leben gefüllt wurde.

Eintritt in eine fremde Welt

Möglich, das jeder sakrale Raum, ganz gleich ob Synagoge, Moschee, Kirche oder Tempel ein bisschen eine fremde Welt bedeutet, in der wir dem Göttlichen in uns begegnen wollen. In gewisser Weise trifft das wohl auch immer noch auf die Synagoge, obwohl schon seit ungezählten Jahren nicht mehr als Andachtsraum genutzt, zu.

Kaum hat man die Schwelle übertreten, die Pforte durchschritten, verebbt der Lärm der betriebsamen Hauptstraße, umfängt uns zunächst eine neue Art der Stille und betritt man eine fremde Welt, immer wieder neu inszeniert von Künstlern und ihren Werken, die uns teils faszinieren, abstoßen, verwirren oder bestenfalls zum Nachdenken anregen.

Nichts Pathetisches

Nach renommierten Künstlern wie Richard Serra, Eduardo Chillida oder Rosemarie Trockel stellt nun Anthony Cragg, Bildhauer von Weltruf, seine Skulpturen in der Stommelner Synagoge aus. „Pair“ nennt er die beiden weit über lebensgroßen Stelen, die er für diesen Raum geschaffen hat. Dabei hat er sich weniger vom ursprünglichen Sinn als religiöse Andachtsstätte leiten lassen als von den Gegebenheiten, die der Raum als solcher vorgibt. Er hätte, so der Künstler im Interview mit WDR1, „nichts Pathetisches“ schaffen wollen, sondern etwas Lebendiges, das Dynamik in den Raum bringt.

(K)ein politisches Statement

Nun stehen sie also da, die beiden aus unzähligen Holzscheiben geschaffenen Stelen, aufeinandergetürmt und in unzähligen Stunden geschliffen und poliert. Um sie in ihrer Gesamtheit erfassen zu können, genügt kein einzelner Blick. Sie fordern sozusagen heraus, sie immer wieder zu umkreisen, um aus den verschiedenen Blickwinkeln immer wieder neue Aus- und Einblicke zu gewinnen. Vielleicht ist es ja das, was Cragg meint, wenn er sagt, dass Kunst immer auch ein politisches Statement sei: Nicht nur die Skulpturen selbst, die augenscheinlich in ihrer eigenen Bewegung erstarrt zu sein scheinen, sondern wir müssen uns bewegen.

Im Auge des Betrachters

Es ist ja eine altbekannte Binsenweisheit, dass Kunst immer im Auge des Betrachters liegt. Entsprechend kann man je nach Gusto auch alles Erdenkliche in Craggs Figuren hinlegen und herauslesen, kann Figuren erkennen oder sich mit einem schlichten „gefällt“ oder „gefällt nicht“ begnügen. Aber kommen wir noch einmal zum Ausgangspunkt zurück. Um sie wirklich in all ihren Facetten betrachten zu können, genügt es nicht auf einem einmal gewählten Standpunkt stehen zu bleiben. Und vielleicht ist eben gerade das die Botschaft: Seinen Blickwinkel jeden Tag aufs Neue zu verändern, althergebrachte Ansichten und Überzeugungen zu überprüfen und am Ende entweder seiner Sache sicher zu sein oder eben doch neue Einsichten gewonnen zu haben.

Ganz gleich, ob einem Craggs Verständnis von Kunst nun gefällt oder nicht, ob man mit seinem Werk etwas beginnen kann oder sich verständnislos abwenden wird. Auf alle Fälle wird er uns und vielleicht sogar unser Denken in Bewegung gebracht haben.

Die Ausstellung „Pair“ – Skulpturen von Anthony Cragg ist vom
11. Juni - 27. September 2015, Fr. 15-18 Uhr, Sa. und So. 13-18 Uhr
in der Synagoge, Hauptstraße 85a, Pulheim-Stommeln zu besichtigen.
Besichtigungen außerhalb der Ausstellungen nur nach Anmeldung unter
Telefon: 02238 / 808 188, -189 oder -194.

Fotos: Laetitia Vitae



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