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Freiraum – ein soziales Kunstprojekt mit Pulheimer SchülerInnen


Seit einem Jahr erarbeiten Künstlerinnen und Künstler gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern eine Erlebniswelt zum Thema Erziehung. Was für Menschen wollen wir erziehen? Welche Regeln brauchen wir dafür? Und wie viel Freiheit ist überhaupt erträglich?  

Freiraum – ein soziales Kunstprojekt mit Pulheimer SchülerInnen

Ausgehend von der Geschichte des ehemaligen Jugendheims „Dansweilerhof“, das bis 1966 in Brauweiler-Freimersdorf bestand und dem dort im wesentlichen gepflegten autoritären Erziehungsstil der Vorkriegs- und Nachkriegszeit, der für die dort untergebrachten Jugendlichen nur wenig Freiraum und Individualität ermöglichte, entwickelten die beiden Theaterregisseurinnen Dorothea Schröder und Nina Gühlstorff auf Initiative von Jürgen Termath, Jungendamtsleiter der Stadt Pulheim das Projekt „FREIRAUM“.

Was für Menschen wollen wir erziehen?

Seit einem Jahr erarbeiten Künstlerinnen und Künstler gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern eine Erlebniswelt zum Thema Erziehung. Was für Menschen wollen wir erziehen? Welche Regeln brauchen wir dafür? Und wie viel Freiheit ist überhaupt erträglich? Mit diesen und anderen Fragen zum modernen Menschenbild haben sich die Schülerinnen und Schüler gedanklich und aktiv auseinandergesetzt. „In einem Workshop haben wir einen Tisch sehr schön mit feinem Porzellan und Silberbesteck eindecken lassen, um gemeinsam Spaghetti zu essen“, erzählen Dorothea Schröder und Nina Gühlstorff. „Was mit einem kultiviertem Essen begann wurde dann aber, ausgelöst durch einen der Workshopleiter zu einer wahren Essenschlacht. Alles war erlaubt: Das Essen mit den Fingern und auch das Herumwerfen von Nudeln, Soße und allem, was auf dem Tisch stand. Zunächst hatten alle Teilnehmer einen Heidenspaß an der Aktion, aber in der anschließenden Diskussion waren sich alle einig: Es hat Spaß gemacht, aber wir würden es nicht noch einmal machen. Jugendliche wollen Freiheiten, aber auch Grenzen.“

Ebenso hat sich in den bisherigen Workshops herauskristallisiert, dass Jugendliche von heute über weitaus weniger Freiräume verfügen als man das allgemein annehmen würde. Nicht nur sind ihre Möglichkeiten der freien Zeiteinteilung durch schulische Anforderungen und ein meist straff durchorganisiertes Freizeitprogramm stark eingeschränkt, auch fehlt es an Plätzen, an denen sie sich tatsächlich frei und unbehindert bewegen können.

Wie können Freiräume gestaltet werden

Wie nun FREIRÄUME gestaltet werden können, wird in der Zeit vom 11. bis 16. Juni im Abteipark in Brauweiler sichtbar: Zentrum des FREIRAUMS im Abteipark (Eingang Ecke Ehrenfriedstraße / Mathildenstraße) sind die begehbaren Skulpturen des Architekten Marco Canevacci der Künstlergruppe plastique fantastique, die zum Nachdenken, oder einfach zum Arbeiten, Relaxen, , Diskutieren oder Sich-Wohl-Fühlen und Vorbeikommen einladen. Während in den Vormittagsstunden hier für die Pulheimer SchülerInnen Workshops mit Künstlerinnen und Künstlern zu den Themen „Poolhymne“, „Kollektiv“, „Business“ und „Reenactment“ und „Körper-Freiraum“ angeboten werden, stehen die begehbaren Kunstwerke nachmittags für alle Interessierten offen. So bauten einige Schülergruppen unter Anleitung des Künstlers Paul Huf Skulpturen aus Dachlatten zum Thema „Träume“. Hier ging es nicht nur darum, sich auf eine bestimmte Form zu einigen, sondern auch die anfallenden Arbeitsschritte zu verteilen, abzumessen, zu sägen und die Einzelteile mit Akkuschraubern zu einem fertigen Gesamtbild zusammenzusetzen. „Es war schon ziemlich beeindruckend wie gerade die Mädchen, die noch nie zuvor handwerklich tätig waren, sich Tätigkeiten wie das Arbeiten mit einem Akkuschrauber angeeignet haben und stolz auf sich selber waren“, erzählt Nina Gühlstorff, „sie haben sich dadurch neue Freiräume für sich selber erarbeitet, weil sie jetzt Dinge tun können, von denen sie vorher nicht gedacht hätten, dass sie sie können.“

Vom Problem mit der Freiheit

Um die Frage, welche Freiheiten und Freiräume einem zur Verfügung stehen und wie diese ausgestaltet werden können, ging es auch in den Workshops zum Thema „business“, die von Florian Prittwitz-Schlögl, Unternehmensberater und Coach aus München. „Wir haben mit den Jugendlichen drei verschiedene Führungsstile durchgespielt: Von Laisser-faire über einen demokratischen Führungsstil bis hin zu autoritären Hierarchien. Interessanterweise wurden die verschiedenen Stile von Realschülern, die sowohl das Laisser-faire wie auch die autoritären Befehlsstrukturen komplett ablehnten, ganz anders beurteilt als von einer Schülergruppe aus Aachen, die jetzt auf dem 2. Bildungsweg ihre mittlere Reife nachholen. Sie haben, im Gegensatz zu den Realschülern, natürlich schon Arbeitsalltag erlebt und hatten zunächst Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass sie sich im Rahmen eines demokratischen Führungsstils auch selbst als Persönlichkeit in ihre Arbeitswelt miteinbringen können.“

Schule gestern – Schule heute

In einem weiteren Workshop erlebten Schüler die Unterschiede zwischen Lernen heute und Lernen „früher“. Was war früher anders? Wie sah ein Klassenraum früher aus? Welche Regeln und welche Kleiderordnung musste beachtet werden? Hier ging es nicht nur um einen lebendigen Ausflug in die Vergangenheit, sondern auch darum, sich mit der Frage zu beschäftigen wie die Schüler selber lernen wollen. Und auch hier kristallisierte sich eine spannende Erkenntnis heraus: Während die meist jüngeren Mädchen, der Meinung waren, dass ihnen der damals übliche autoritäre Führungsstil der Lehrer eher Angst machen würde, waren die gleichaltrigen Jungs vom strikten Regelwerk wie Aufstehen, bevor man eine Antwort gibt und der damals herrschenden Disziplin durchaus beeindruckt.

480 Schüler und 20 Workshops

Wesentlicher Bestandteil des Projektes FREIRAUM ist für alle Beteiligten das Erkennen von Regeln und deren Reflektion: Welche Regeln brauchen wir? Welche Regeln geben uns Halt und welche engen uns ein? Was können oder müssen wir tun, um ums an der Gestaltung von Regeln zu beteiligen? In 20 Workshops haben sich nicht nur insgesamt 480 Schüler mit diesen Fragen auseinandersetzt, sondern auch etliche freie Besucher, die die Gelegenheit nutzten, sich während der Veranstaltungszeitraums vom 10. bis zum 16. Juni nicht nur die beiden Installationen des italienischen Architekten Marco Canevacci der Künstlergruppe plastique fantastique anzuschauen, sondern auch sowohl mit den Veranstaltern wie auch den Workshopteilnehmern ins Gespräch zu kommen. Spannend ist die Frage, wie sich die von den Teilnehmern gewonnenen Erkenntnisse im Alltag auswirken werden, ob und wenn ja wie sich das Erstellen und Befolgen von Regeln gestalten wird.
Fotos: Dorothea Schröder, Nina Gühlstorff, Stadt Pulheim



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