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Kunst im Kopf


Auf den ersten Blick wie gesagt mag eine solche Installation Befremden und Unverständnis hervorrufen, bietet sich doch zunächst keine Erklärung an, es sei denn, man kennt den Text, den der Künstler gemeinsam mit dem Situ Studio zu der Installation hinterl  

Kunst im Kopf

Seit 25 Jahren zeigt die Stadt Pulheim Kunst in der Synagoge Stommeln. Und entsprechend der Bedeutung des Ortes – als einziges in der Region erhaltenes jüdisches Gotteshaus – versteht es sich von selbst, dass hier nicht einfach „irgendeine beliebige“ Kunst gezeigt wird, sondern meist Projekte, die im besten Fall zum Nachdenken und Nachspüren anregen oder deren Anblick gar verstörend wirkt.

Nach so berühmten Künstlern wie Georg Baselitz (Nicht nee nee nee nicht no, 1993), Rebecca Horn („Spiegel der Nacht“, 1998) oder Max Neuhaus (Time Piece Stommeln, 2007) wurde nun der im Libanon geborene Künstler Walid Raad für eine Installation im geschichtsträchtigen Raum gewonnen.

Vier Jahre

Zwar nicht die besagten biblischen sieben, aber doch vier Jahre hat es gebraucht, bis Raad ein für die Synogage in seinen Augen passende Installation entwickelt hat. Der New Yorker Künstler, der 1967 im Libanon geboren wurde und mit 15 Jahren in die USA kam, beschäftigte seit viele Jahre mit der gewaltsamen Geschichte des Libanon und fand mit der Arbeit „The Atlas Group“ internationale Anerkennung

Mag sein, dass sich die Erfahrung von Verfolgung, Vertreibung und Flucht auch in seinem speziell für die Synagoge in Stommeln entwickelten Projekt „Those that are Near. Those that are Far.“ niedergeschlagen hat. Es ist uns überlassen, ob wir den ehemaligen Andachtsraum im Sinne des Kirchenasyls als Fluchtpunkt und Ankunftsort betrachten wollen oder aber als Ausgangspunkt der Flucht, den Startpunkt einer neuerlichen Odysee als einen zwischenzeitlichen Lagerraum als Rückzugsort für wen oder was auch immer.

Ausweglos?

Schon auf dem Weg zur Tür fallen einem die mit Brettern vernagelten Fenster der Synagoge auf. Kein Lichtstrahl so hinfallen, aber auch keine Ausflucht scheint mehr möglich. Und dann, hat man die Eingangstür passiert, scheint es kein Weiter zu geben, denn auch die Tür zum Hauptraum ist mit Brettern verschlossen. Einzig der Weg über die schmale und steile Stiege hinauf auf die Frauenempore ist geblieben.

Erde, nichts als Erde?

Rund 20 Kubikmeter Erde hat Walid Raad in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Situ Studio hier ankarren und verteilen lassen. Und das soll jetzt nun Kunst sein?

In der Mitte ein Loch im Boden. Ist es ein Brunnen? Ein Ein- oder Einstieg? Wo führt der Weg hin? Rechts und links an den Seiten Abdrücke, aber von was? Standen dort Kisten und wenn ja, was war in Ihnen enthalten?

Was noch bis vor kurzen ganz „normale“ Erde im zukünftigen Planetenviertel war, hat sich auf nur wenigen Kilometern in eine Geschichte, in Kunst verwandelt, erzählt eine Geschichte mit offenem Anfang und und ungewissem Ausgang.

Kopfschütteln oder Kopfkino?

Auf den ersten Blick wie gesagt mag eine solche Installation Befremden und Unverständnis hervorrufen, bietet sich doch zunächst keine Erklärung an, es sei denn, man kennt den Text, den der Künstler gemeinsam mit dem Situ Studio zu der Installation hinterlegt hat.

„Ein Ort der Ankunft und ein Ort des Aufbruchs“, heißt es da, „ein Eingang und ein Ausgang. Ein Ort des Kommens und ein Ort des Gehens […].“ Und ja, bei näherer Betrachtung ist es das, was allen Orten der der Andacht doch gemeinsam ist. Wir kommen an und doch lassen wir unsere Gedanken dann schweifen. Wir suchen Zuflucht und wünschen uns gleichzeitig fort.

„Those that are near. Those that are far.“
Eine Installation von Walid Raad und SITU Studio
in der Synagoge Stommeln, Hauptstraße 85a
Öffnungszeiten: Freitag: 15 – 18 Uhr, Samstag, Sonntag 13 – 18 Uhr und nach Vereinbarung

Auch wenn man meint nahezu alles auf einen Blick erfassen zu können, lohnt es sich doch innezuhalten und einen Moment zu verweilen. Wer mag das Loch im Boden gegraben haben und zu welchem Zweck? Wer oder was hat die Abdrücke hinterlassen? Waren es schwere Kisten und was mag in ihnen gewesen sein? Und wo sind sie hin – es scheint für ihren Abtransport keine greifbare Möglichkeit zu geben … Vielleicht ist es ja genau das die Kunst an der Sache. Nicht einfach nur mehrere Lkw-Ladungen Erde in einem Raum zu schütten und dort zu verteilen, sondern eben in jedem einzelnen Betrachter eigene, neue und individuelle Bilder und Gedankenketten zu erzeugen, in sein eigenes Kopfkino erschaffen zu lassen.

Fotos: Laetitia Vitae
 



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