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Der Fußgängercheck - Senioren machen mobil


Wie mobil wir sind und sein können, unabhängig von unserem Alter, unserem Einkommen und unserem Gesundheitszustand ist am Ende auch eine Frage, wie frei wir sein können, ist am Ende eine Frage des Lebensgefühls.  

Der Fußgängercheck - Senioren machen mobil

Ginge es nur um einen reinen Tatsachenbericht, um eine Sachstandserhebung sozusagen, nun, er wäre längst geschrieben und veröffentlicht, Sie hätten ihn längst gelesen und – möglicherweise – genauso schnell wie er geschrieben wurde, auch wieder vergessen worden.

Aber es geht um mehr. Wie mobil wir sind und sein können, unabhängig von unserem Alter, unserem Einkommen und unserem Gesundheitszustand ist am Ende auch eine Frage, wie frei wir sein können, ist am Ende eine Frage des Lebensgefühls.

Aber wie über das Alter und die Einschränkungen sprechen, wenn man selbst (noch) nicht betroffen ist? Ich sehe meine Mutter, die sich nach einem Oberschenkelhalsbruch mühsam ihre Mobilität zurück erkämpft. Leicht ist es nicht und der Grad zwischen Hilfe und Bevormundung ist schmal. Es bedurfte manches Missverständnisses, mancher Nachfrage und mancher offenen Forderung nach Hilfe und Unterstützung bis wir einen Konsens gefunden hatten, mit dem wir beide gut leben konnten.

Und genau darum geht es. Nämlich, die tatsächlich Betroffenen zu Wort kommen zu lassen, nachzufragen, wo Bedürfnisse bestehen, wo Probleme liegen und nicht über ihre Köpfe hinweg Lösungen zu suchen und zu schaffen, die am Ende weder gewollt noch hilfreich sind. Und wie sagte meine Mutter irgendwann entnervt? „Kind, ich kann vielleicht nicht mehr so schnell laufen, aber ich kann noch genauso schnell denken wie früher.“

Fragt doch mal die „Alten“

Gut, hat man also einmal verstanden, dass die „Alten“ wissen, was sie wollen und was sie brauchen, dann sollte man auch logischerweise genau diese „Alten“ fragen. Entsprechend hat die Koordinierungsstelle des Netzwerks „Verkehrssichere Städte und Gemeinden im Rheinland“ im Jahr 2011 einen Wettbewerb ausgeschrieben, der Senioren die Möglichkeit geben sollte, im Rahmen eines „Fußgängerchecks“ die ihre Alltagswege unter die Lupe zu nehmen und gezielt auf Hindernisse und Schwachstellen aufmerksam zu machen. Gewonnen haben unter anderem die Städte Brühl und Kerpen.

Vochem auf dem Prüfstand

Es kam so einiges zusammen, was die älteren Semester im Brühler Stadtteil Vochem zu beklagen haben: Unebenheiten im Zugang zum Friedhof zum Beispiel stellen ein echtes Hindernis für den freien und vor allem sicheren Zugang dar, genau wie die zu schmal geratenen Gehsteige an der St.-Albert-Straße entlang der Friedhofsmauer. Auch die Rampe, die zur Kirche St. Matthäus führt, sei zu steil, um sie problemlos bewältigen zu können. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die schnell und kostengünstig verbessert werden können, man muss es halt nur wissen, es eben aus der Sicht der Betroffenen wahrnehmen.

Der Ärger mit den Gullydeckeln

Für uns Kinder der 70er Jahre waren sie ideal: Die breiten Abstände der Gully-Deckel. Nach kryptischen Regeln, die heute wohl kaum ein Kind noch verstehen würde, hopsten und sprangen wir auf den Deckeln und nutzen die Zwischenräume für komplizierte Hüpf- und Sprungabfolgen. Den Senioren von heute sind sie ein Dorn im Auge: Die Zwischenräume der Gullydeckel sind einfach zu breit – ruck zuck hängt der Rollator, der Rollstuhl oder auch das Laufrad der Enkelgeneration darin fest und kann somit zu bösen Überraschungen führen.

Verständnis ist die halbe Miete

Nun denkt man sich als Laie, dass es kaum ein Problem darstellen dürfte, dieses Problem abzustellen. Ein anderer Verschluss mit schmaleren Zwischenräumen dürfte das Problem doch schnell und kostengünstig beseitigen. Doch so einfach, so ließen es sich die Mitglieder der Gruppe ÖPNV des Kerpener Seniorennetzwerkes 55plus erklären, ist es nicht. Ein reiner Deckelwechsel ist nämlich technisch nicht möglich – ein neuer Deckel erfordert nämlich einen neuen Unterbau und das kostet nicht nur, das muss auch gründlich geplant werden. „Wenn man das weiß, versteht man auch, dass sich bestimmte Maßnahmen nur mit der Zeit umsetzen lassen“, so die Mitglieder des Arbeitskreises, „die Stadt weiß jetzt um das Problem und wir wissen, dass wir uns noch ein wenig gedulden müssen.“

Und plötzlich hast Du ein Handycap

Aber fragen wir mal so: Ist eingeschränkte Mobilität tatsächlich nur ein Problem von den älteren Menschen? Wohl kaum. Auch Eltern mit kleinen Kindern kennen es: Kaum ist der Nachwuchs auf der Welt und wird im Kinderwagen von A nach B geschoben, stellt man schnell fest, wo die Schwachstellen liegen: Stufen, die man „ohne“ problemlos bewältigt hat, werden auf einmal zur Barriere, Türen, die sich nicht selbsttätig öffnen und auch, wenn man öffentliche Verkehrsmittel benutzen will, ist man schnell auf Hilfe angewiesen. Was also die Senioren in Brühl und Kerpen an Problemen aufgedeckt haben, betrifft in letzter Konsequenz nicht nur sie, sondern weitaus größere Bevölkerungsgruppen.

Eine Bank für die kleine Pause

Untersuchungen haben ergeben, dass sich mit fortschreitendem Lebensalter h die durchschnittlich im Laufe eines Tages zurückgelegte Strecke nicht nur verringert, sondern sich auch zu Gunsten eines höheren Anteils an Fußwegen verschiebt. Dem Autofahrer fällt es natürlich nicht auf, aber auch wenn der Einkauf nicht ganz so üppig ausgefallen ist, kann sich so ein Weg vom nächsten Laden bis nach Haus schon einmal ganz schön hinziehen. Entsprechend haben sich die Mitglieder der Gruppe ÖPNV entschieden, den vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg für die Teilnahme am Fußgängercheck ausgelobten Bonus in Höhe von 4.000,- Euro in drei neue Bänke zu investieren, die nun entlang der Sindorfer Straße aufgestellt wurden und sicher nicht auch anderen als kleine Verschnaufpause auf dem Weg zwischen der Kerpener Innenstadt und dem Erftkarree gut zu Pass kommen.

Über den Tellerrand

Deutschland, stellt man immer wieder fest, ist ein Land, in dem gerne polarisiert wird. Viel lieber als vom Miteinander sprechen wir vom Gegeneinander und vergessen dabei ganz, dass unsere Realität oft eine andere, eigentlich bessere ist. So ging es den Kerpenern nämlich nicht nur darum, sie betreffende Schwachstellen im Straßenverkehr auszumachen. Als Großeltern nämlich, die oft genug mit der Betreuung der Enkel beauftragt werden, kennen sie sich nämlich auch gut mit den Bedürfnissen von I-Dötzchen und Co. aus. „Wann sind Sie das letzte Mal Bus gefahren?“ werden wir gefragt und „haben Sie sich mal überlegt, wo die Haltegriffe angebracht sind? Für Schulkinder sind sie oft gar nicht erreichbar, weil sie einfach viel zu hoch hängen.“

Hut ab!

Mag sein, dass die Senioren in Brühl und Kerpen zunächst einmal „ihre“ Probleme als Fußgänger im Blick hatten, aber sollte man dabei eines nicht vergessen: Auch wer jetzt noch jung und fit ist, wird das nicht dauerhaft bleiben. An uns allen nagt der Zahn der Zeit und früher oder später werden auch wir zur Generation 55+ gehören. Und dann, spätestens dann, dürfen wir für die von ihnen geleistete Arbeit dankbar sein.

 

Für die Fotos danken wir: Blindenampel - Rudolpho Duba, Bus - Fionn Grosse, Gully Guenter Havlena, die Damen mit den Kinderwagen - W R Wagner, Rollator - Rainer Sturm, Schulkind - GTU, Warnschild Senioren - Tommy Gruen, Seniorennetzwerk 55plus - DWW



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