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350 Jahre Tilgung


Schön, eigentlich möchte man schon fast sagen wunderschön, ist der Memorialbau denn auch geworden: Gut 90 verschiedene Marmorsorten wurden für Wand und Boden verwendet, der Altar aus Carrara-Marmor, Porphyr, Onyx und ...  

350 Jahre Tilgung

Nun könnte man auf den ersten Blick und ohne weitere Überlegung schon fast ein wenig neidisch werden, hört man, dass die Deutsche Gesellschaft für Denkmalschutz Godehard Graf von uns Hoensbroech einen Scheck über 20.000,- Euro zwecks Sanierung der familieneigenen Kapelle. Aber auch hier gilt – wie so oft im Leben – ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Ein Erbe, das es in sich hat

Oft und gern spricht man zumeist etwas abfällig von der „Erbengeneration“; Menschen, die unverdientermaßen von dem zehren können, was ihre Vorfahren mit harter Hand erarbeitet und erspart haben, ohne das eben diese Nutznießer sich dafür jeh hätten krummlegen müssen. Sicher, die mag es auch geben, aber bleiben wir doch realistisch: Erbe ist nicht immer nur „unverdientes“ Glück, sondern oft auch eine Bürde, wie eben jene Kapelle, die seit ihrer Erbauung um 1890 zu den Besitztümern der gräflichen Familie gehört.

Eine Erinnerung für die Ewigkeit?

Gut gemeint hatte es der früh zum Witwer gewordene Reichsgraf und Marquis Franz-Eugen von Hoensbroech, der zum Andenken an seine (zu) früh verstorbene Ehefrau Hermenegilde Gräfin Wolff-Metternich zu Gracht, die bereits auf der Hochzeitsreise an Tuberkulose erkrankte und nach nur sieben gemeinsamen Jahren ihrem Leiden erlag, den Regierungsbaumeister Heinrich Krings mit dem Neubau der Kapelle für das Wasserschloss Türnich beauftragte.

Schön, eigentlich möchte man schon fast sagen wunderschön, ist der Memorialbau denn auch geworden: Gut 90 verschiedene Marmorsorten wurden für Wand und Boden verwendet, der Altar aus Carrara-Marmor, Porphyr, Onyx und Alabaster mit aufwendigen Handwerkstechniken gefertigt und Wand und Decken üppig von Spätnazarener Franz Guillery ausgemalt. Insgesamt, so lässt sich sagen, beauftragte der Marquis die Crème de la Crème der rheinischen Kunstszene und ließ ein Kleinod des Rheinischen Späthistorismus schaffen.

Der Wahn von Gips und Zement

Man mag wohl weder dem Bauherren, noch seinem Baumeister einen Vorwurf machen, dass sie es nicht besser gewusst haben und wir wollen uns hier kurzfassen, schließlich sind auch wir keine Bausachverständige, doch kann es unter ungünstigen Voraussetzungen zu fatalen Reaktionen zwischen Gips und Zement – jenen in der Gründerzeit so beliebten Baustoffen - kommen. Jedenfalls blüten die Böden und Wände auf, die Bodenmosaiken mit der von Mondphasen und Tierkreiszeichen eingerahmten Sonne und auch die Allegorien der Jahreszeiten und Lebensalter gerieten in bedenkliche Schieflage, die Marmorinkrustationen im Sockelbereich platzen reihenweise ab.

Behutsamkeit ist angesagt

Die Bauschäden, die sich in kaum mehr als einem Jahrhundert angesammelt haben, sind so gravierend, dass man den Schäden nur nach und nach behutsam Herr zu werden versuchen kann. Denn aufgrund von Feuchtigkeit und mangelnder Isolierung haben nicht nur Boden und Sockelbereiche, sondern auch die Wand- und Deckenmalereien erhebliche Schäden davongetragen. Dazu kommt, wie Godehard Graf von uns zu Hoensbroech eindrücklich zu erzählen weiß, dass im Lauf der Zeit bereits mehrfach, dafür aber leider nicht immer sach- und fachgerechte Versuche unternommen wurden die kostbaren Malereien zu restaurieren. Nun konnten wenigstens ein Teil der Deckengemälde wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden.

Ein Tropfen auf den heißen Stein

Auch wenn sich der eingangs genannte Betrag zunächst nach viel anhören mag, wird auch er nur für einen weiteren kleinen Bauabschnitt reichen, in dem nun die Sockelbereiche abgeschliffen werden, um dann mit Heizschleifen versehen zu werden, die dann für ein konstanteres Raumklima sorgen sollen, um weitere kondenswasserbedingte Schäden abzuhalten. Ob und wann dann in einem weiteren Bauabschnitt auch Teile der Wandgemälde restauriert werden können, ist momentan noch offen und hängt stark davon ab, in welchem Umfang weitere Fördermittel fließen werden.

350 Jahre Tilgung

Wer jemals sein Haus saniert oder gar ein neues gebaut hat, kann ein Lied davon singen: Da heißt es rechnen, rechnen und alle Zahlen und Beträge im Blick behalten. Und dann, wenn man alle Positionen und Kosten beisammen hat, gemeinsam mit seinem Geldinstitut überlegen, wie man seine Wünsche unter Berücksichtigung von Zins und Tilgung am besten realisieren kann.

Im Falle der umfänglichen Sanierungsmaßnahmen, die nötig sind, um die Gesamtanlage von Schloss Türnich zu erhalten, kommt man problemlos auf eine Summe im zweistelligen Millionenbereich und damit – Godeverd Graf von zu Hoensbroech hat es sich genau ausgerechnet – auf eine Tilgungszeit von „mal eben“ 350 Jahren, ein Zeitraum, der ungefähr zehn Generationen umfasst und den keine Bank jemals finanzieren würde.

Kein Grund zur Eifersucht

Keine Frage: Sicher haben wir uns alle schon mal die Frage gestellt: Warum der und nicht ich? Warum gewinnt mein Nachbar im Lotto und ich nicht? Nun, könnte auch daran liegen, dass Sie möglicherweise überhaupt nicht Lotto spielen, oder? Und ähnlich sollte man es wohl auch in Bezug auf die Unterstützung der Kapellensanierung betrachten. Es hat eben nicht jedes denkmalgeschützte Gebäude das Zeug zum quasi öffentlichen Kulturgut. Und mit Verlaub, gerade darum bemüht sich die Familie der von und zu Hoensbroech ja. Zwar ist der Memorialbau zur Zeit aufgrund der nach wie vor stattfindenden Sanierungsarbeiten nicht zugänglich, aber irgendwann, wenn sich auch weiterhin Unterstützer und Spenden finden, wird die alte Pracht wieder für jedermann sichtbar werden.

Fotos: LV



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