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Konrad muss zum Check up


Nach satten 100.000 Betriebsstunden, das sind unserer Rechnung nach gute 11 Jahre, wird es also nun Zeit, dass Konrad, der größte der sieben Blöcke im Niederaußemer Kraftwerk, der einer Generalrevision unterzogen wird.  

Konrad muss zum Check up

Und Sie? Wann hat Ihnen denn Ihr Arzt das letzte Mal tief in die Augen gesehen und zu einem großem Check up, zur Überprüfung von Herz, Nieren, Blutdruck und Zuckerwerten geraten?

Zweifelsohne haben Vorsorgeuntersuchungen – auch wenn sie uns hin und wieder schon mal lästig sind – durchaus ihren Sinn, denn frühzeitig erkannt, lassen sich größere Schäden meist vermeiden. Und was für uns Menschen gilt, gilt alle mal für Maschinen. Wer sein Auto regelmäßig warten lässt, braucht den TÜV nicht zu fürchten.

Fit für die Zukunft

Nach satten 100.000 Betriebsstunden, das sind unserer Rechnung nach gute 11 Jahre, wird es also nun Zeit, dass Konrad, der größte der sieben Blöcke im Niederaußemer Kraftwerk, der  einer Generalrevision unterzogen wird.

Das Besondere ist, dass hier nicht nur die allgemeine Funktionsfähigkeit der Anlage überprüft und gegebenenfalls einzelne Verschleißteile ausgewechselt werden, sondern alle Großkomponenten wie die Turbine, der 14,5 Meter lange Generator und die Speisepumpenantriebsturbine komplett zerlegt, revidiert und wieder zusammengebaut werden.

Sie verstehen nur „Bahnhof“?

Lehnen Sie sich getrost zurück. Ob Sie sich (mit uns) in guter Gesellschaft befinden, müssen Sie selbst beurteilen, aber da wir ebenso ahnungslos waren, haben wir uns zunächst mal ein bisschen schlau(er) gemacht, wie so ein Kraftwerk, also genau genommen ein BoA – ein Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik – überhaupt funktioniert.

Also stellen wir uns – frei nach der Feuerzangenbowle – mal ganz dumm und machen es einfach: Bevor die Braunkohle verbrannt wird, wird sie in einer Mühle staubfein zermahlen und vorgetrocknet, um dann im Brennerraum verbrannt zu werden. Wie bei jeder Verbrennung entsteht Wärme, die Wasser so stark erhitzt, dass Wasserdampf entsteht. Dieser treibt eine Turbine an, deren Drehbewegung von einem Generator in Strom umgewandelt wird.

Was sich in unserer zugegebenermaßen schwer verkürzten Form ziemlich simpel anhört, ist in Wirklichkeit natürlich ein hochkomplizierter Vorgang, der absolute Präzision erfordert.

Berücksichtigt man jetzt noch, dass ein sozusagen „optimiertes“ Kraftwerk in seinem Wirkungsgrad um die 8 % besser dasteht als ein konventionelles, kann man schon erahnen, wie viel Technik die Ingenieure entwickeln und einbauen mussten, um das zu erreichen und gleichzeitig auch noch die CO2-Emissionen sowie die Staub-, Schwefeldioxid- und Stickstoffoxidemissionen drastisch zu reduzieren.

1.000 Leute, 1.000 Tonnen

Gute zwei Monate hat das Team von Kraftwerksleiter Michael Wagner zusammen mit 80 Partnerfirmen nun zu tun, um alle Bauteile auseinanderzunehmen, zu kontrollieren und am Ende wieder passgenau und generalüberholt zusammenzusetzen. „Die zwei Monate sind natürlich nur der Zeitraum, in dem hier vor Ort in der Maschinenhalle gearbeitet wird“, erklärt Wagner bei einem Rundgang, denn noch bevor das erste Werkzeug angesetzt wurde, hieß es planen, planen, rechnen und noch einmal die Logistik dieser Mammutaufgabe klären. „Es ist wie bei einem riesigen Puzzle", erklärt er. „Im Vorfeld mussten wir nicht nur die zeitlichen Abläufe aufeinander abstimmen, sondern auch genau festlegen, wo welche Bauteile wann gelagert werden können.“ Immerhin lässt sich der Raum ja nicht ausdehnen und einmal demontiert brauchen die Einzelteile natürlich viel mehr Platz als die Maschinen in ihrer Gesamtheit.

Insgesamt werden, bis alle Bauteile auf ihre Tauglichkeit überprüft und unter Umständen ausgewechselt wurden, rund 1.000 Mitarbeiter, davon ein großer Teil von Fremd- und Partnerfirmen nicht nur 4.500 Einzelarbeiten erledigen, sondern auch an die 1.000 Tonnen Material bewegt haben.

Über welche Brücke darf man fahren?

Sie kennen es: Manchmal liegt die Tücke im Detail. So auch beim Transport des Hochdruckteils der Turbine, das von Niederaußem nach Mülheim an der Ruhr verfrachtet werden musste, um dort von Fachingenieuren der Firma Siemens durchgecheckt und runderneuert werden musste. Bevor sich der Schwerlasttransport auf den Weg machen konnte, musste erst eine Freigabe durch Straßen NRW erfolgen und die wiederum mussten zunächst prüfen, welche der Rheinbrücken dem Gewicht des Koloss überhaupt standhalten würde.

Toi, toi, toi

Wo immer Menschen arbeiten kann es zu Unfällen kommen, kann aber soll nicht. Entsprechend ist Revisionsleiter Rainer Hübl seit Beginn der Arbeiten quasi im Dauerstress. „Wir haben rund um die Uhr insgesamt sechs Sicherheitsbeobachter im Einsatz“, erklärt er, „die als kontinuierliche Ansprechpartner fungieren und in Dialogrunden mit den Partnerfirmen Arbeitssicherheitsaspekte der einzelnen Arbeitsschritte bewerten.“

Auch wir sind angehalten, das Besucherzentrum nicht ohne entsprechende Sicherheitsbekleidung zu verlassen. Bevor wir uns also auf unsere Besichtigungstour machen, werden wir zunächst eingekleidet, tauschen Sandalen und Slipper gegen Arbeitsschuhe, die hier regalmeterweise und ordentlich nach Schuhgrößen sortiert auf uns warten, schlüpfen in orangene Warnwesten und versehen uns – auch wenn wir ja eigentlich nicht arbeiten, sondern nur „schauen“ wollen, mit Helm und Sicherheitsbrillen.

Dem und anderen mag das mühselig erscheinen, aber der Erfolg gibt recht: Stolz verweist Hübl auf seine Unfallstatistik, die bis auf ein paar Pflaster zum Glück nichts Nennenswertes aufweist.

Bald läuft er wieder

Manchmal könnte man es schon fast bedauern eben keine Maschine zu sein, schließlich lässt sich bei uns nicht alles so ohne Weiteres warten, reparieren oder austauschen. Aber gut, dafür sind wir auch nicht im 24 Stunden Dauereinsatz. Eine Weile wird es noch dauern, bis Konrad wieder für Energie sorgen wird, aber dann, zusätzlich ausgerüstet mit einem überarbeiteten Nassentschlacker, der den Wirkungsgrad der Anlage weiter optimieren soll und einer neuen auf vollmechanische Förderung umgestellte Entaschungsanlage wird er wieder dafür sorgen, dass bei uns die Lichter nicht ausgehen – es sei denn wir betätigen den Schalter und sparen ein bisschen Energie ein.

Fotos: Helme - Rainer Sturm, pixelio. Alle Weiteren Laetitia Vitae



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