×

Wau Wau!



Es gibt ein Gewinnspiel auf dieser Seite, das ich erschnüffelt habe. Es gibt sogar etwas zu gewinnen und ich meine keine Knochen!

mehr erfahren Sie hier

Die Brücke über die Drina


Also merke ich erst auf den ersten Seiten, dass diese Geschichte in Bosnien spielt und lasse mich von Ivo Andrić mit auf Entdeckungsreise nehmen in ein Land, von dem ich im Leben mal maximal drei oder vier Urlaubsfotos gesehen habe.  

Die Brücke über die Drina

Nun stammt meine Schwägerin, soweit ich das weiß, ja aus Bosnien. Es stellt sich also die Frage: Was ist peinlicher? Mein mangelndes Interesse an der angeheirateten Verwandtschaft oder meine mangelnden geografischen und – bezogen auf Bosnien eben – meine eher defizitären Kenntnisse?

Aber Sie kennen ja meine Lebenseinstellung: Für fast jede Frage und jedes Problem gibt es doch ein Buch. Das hat in meinen Augen unter anderem den klar erkennbaren Vorteil, dass ich es bei Nichtgefallen oder Langeweile wegpacken oder, wenn es mich denn dann packt, so lange lesen kann wie ich will. Eine Verfahrenstechnik, die wir im Umgang mit anderen Menschen ja wohl anwenden sollten oder wollten. Das wäre wohl gelinde gesagt ziemlich unhöflich.

„Die Brücke über die Drina“ also. Ehrlich gesagt hatte ich, als ich es bestellte, wenig Ahnung wo die Drina fließt. Dass es ein Fluss sein muss, war irgendwie selbsterklärend, wegen der Brücke meine ich. Mir gefielen einfach die verlagseigenen Aussagen wie „Ein großes menschliches und historisches Panorama.“ (Wolfgang Schneider in „Der Tagesspiegel“) oder „Alles im Leben ist eine Brücke – ein Wort, ein Lächeln, das wir anderen schenken. Ich wäre glücklich, könnte ich durch meine Arbeit ein Brückenbauer zwischen Ost und West sein.“ Ivo Andrić – das ist übrigens der Autor.

Also merke ich erst auf den ersten Seiten, dass diese Geschichte in Bosnien spielt und lasse mich von Ivo Andrić mit auf Entdeckungsreise nehmen in ein Land, von dem ich im Leben mal maximal drei oder vier Urlaubsfotos gesehen habe. Zugegeben, für jemanden wie mich, der sich nie auch nur Ansatzweise mit der Landesgeschichte beschäftigt hat, ist es zunächst ein wenig schwierig sich zwischen den verschiedenen Konfessionen zurückzufinden, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Teile von bis wann und warum in türkischer Hand waren, aber im Grunde war das am Ende überhaupt nicht wichtig.

Ganz langsam und behutsam blättert Andrić die Geschichte des Städtchens Višegrad und seiner Brücke auf. Angefangen mit dem Plan des Großwesirs Mehmedpašas eben zum Bau der Brücke und dann weiter über die Jahrhunderte bis hin zum Ersten Weltkrieg. Da macht es auch nichts, wenn man immer wieder über die fremdländischen Namen stolpert. Das ist keine Geschichte, die nicht verzeihen würde. Er reiht Begebenheiten und Begegnungen aneinander, erzählt von Menschen und ihren Schicksalen, von Moden und Vergänglichkeiten und irgendwie schafft er es, einen immer wieder einzuholen, wieder mitzunehmen, ohne dass man je das Gefühl hätte, den Anschluss verpasst zu haben.

Sage ich es mal so: Man muss gewiss nicht erst mit der bosnischen Schwägerin punkten – „Die Brücke über Drina“ lohnt sich, ganz gleich wo Ihre Verwandtschaft herstammt. Nur nehmen Sie sich Zeit, das hat sich das Buch einfach auch verdient. Und dann lassen Sie sich fallen, lassen Sie sich treiben auf dem Wasser der Drina (obwohl das in Wirklichkeit wohl nicht empfehlenswert wäre) und irgendwann, da tauchen Sie wieder auf und dann lesen Sie unseren nächsten Tipp, okay?

Wie immer zum Schluss kurz noch die Basics: „Die Brücke über die Drina“ von Ivo Andrić ist bei dtv erschienen und kostet 9,90 Euro. Kleines Geld, ja, wenn man denkt, was eine Brücke so kostet …



Artikel empfehlen: